Lehmann, Adolf
Pianofabrik in Berlin, 1891 – 1932
Schulze, Mayer, Müller, Lehmann – Allerweltsnamen im deutschsprachigen Raum.
Klavierfabriken und –hersteller mit dem Namen „Lehmann“ gab es laut dem Klavierlexikon (H. Henkel) immerhin zwölf. Aber wer kennt noch ein „Adolf Lehmann, Berlin“- Piano, einen Flügel? Wohl kaum einer.
Die Pianofabrik von „Adolf Lehmann“ bestand in Berlin von 1891–1932. Der Instrumentenmacher Adolf Lehmann war zunächst Mitbegründer der Firma „Lehmann & Ulbrich“ und „Lehmann, Schleifer & Co.“, schied aber 1891 aus und gründete am 1. Oktober 1891 seine eigene Firma. Zwei Jahre später trat der Kaufmann E. Brocks als „stiller Teilhaber“ in die Firma ein, „das Geschäft [firmierte von da an] „Adolf Lehmann & Co.“
Auf der Berliner Ausstellung 1896 stellte A. Lehmann „nur“ Pianos mit der Beschreibung „Pianino, schwarz, mit Doppelfüllung und eingelegten Rähmchen und reichlich hohem Aufsatz. Das sehr gediegen gebaute Instrument hat einen ansprechenden klaren Ton“ aus. Eine bekannte Persönlichkeit, Herr A. Ernst Voigt, war von 1897 bis 1905 Geschäftsführer bei A. Lehmann. Auch 1898 stellte die Firma „Pianos“ aus, diesmal gab es im Berliner Messepalast eine Auszeichnung. An vierter Stelle wurde eine „Bronzene Medaille“ verliehen.
Adolf Lehmann schied 1899 „infolge eines langwierigen Nervenleidens, das ihn schon seit zwei Jahren an der geschäftlichen Thätigkeit hinderte, aus der Firma Adolf Lehmann & Co., Pianofabrik in Berlin, [aus]. Sein bisheriger Theilhaber Herr Eduard Brocks hat das Geschäft mit allen Aktiven und Passiven übernommen und wird dasselbe unter unveränderter Firma in alter Weise weiterführen.“
Auf der „Industrie-Ausstellung für Gast- und Hauswirthschaft in Berlin 1902“ erhielt die Firma für ihre Pianos nach dem Ehrenpreis sowie Goldener und Silberner Medaille die „Ehrenvolle Auszeichnung“.
1902 wurde „Frau Anna Brocks, geb. Fehn, zu Berlin für die Firma Adolf Lehmann & Co., Pianofabrik in Berlin, Prokura ertheilt.“
Im März 1905 wurde Eduard Brocks Hoflieferant des Schahs von Persien, 1907 erhielt die Firma eine weitere Krönung: „Der Hofpianofortefabrik A. Lehmann & Co., in Berlin Königsbergerstraße 3 und 4 und Leipzigerstraße 115/116, wurde das Fürstlich Lippische Hofprädikat verliehen.“
Aber nicht alles gelang, wie eine Information aus dem gleichen Jahr zeigt:
„Zahlungseinstellungen:
Die Firma W. Czekalski, Hamburg-St. Georg, Langereihe 93, hat von der Firma Adolf Lehmann & Co., in Berlin […] Pianos bezogen und unlängst brieflich erklärt, daß sie ihr Magazin geschlossen und ihre Zahlungen eingestellt hat. Die Firma Adolf Lehmann & Co., bittet etwaige Leidtragende um Aufgabe ihrer Adressen, um gegen W. Czekalski gemeinschaftlich vorzugehen, da die ganze Handlungsweise dieser Firma zu einem solchen Schritt zwingt.“
Und weiter im gleichen Jahr:
„Firmen, welche mit dem Pianohändler E. Boehling in Königsberg in letzter Zeit gearbeitet haben, werden gebeten, sich mit der Firma Adolf Lohmann & Co., Berlin 0.; Königsbergerstraße 3 in Verbindung zu setzen, um eventuell ein gemeinsames Vorgehen gegen den Genannten zu veranlassen.“
Aber es gab 1907 auch andere Mitteilungen:
„Die Firma A. L. […] eröffnet Anfang Oktober – neben ihrer Detailverkaufsabteilung in der Leipzigerstraße 115/116 im Osten von Berlin, Große Frankfurter Straße 106, ein 2. Verkaufsmagazin. Gleichzeitig sei erwähnt, daß die Fabrik Ende dieses Jahres nach Lichtenberg übersiedelt, wo in den eignen, mit allen technischen Einrichtungen der Neuzeit versehenen Fabrikräumen der Betrieb mit über 200 Arbeitern aufgenommen werden soll.“
Außerdem ließ die Firma mitteilen: „[…] daß sie ihren vollen Betrieb im Neubau, Berlin-Lichtenberg, Dorfstr. 49, aufgenommen hat. Alle Korrespondenzen und Anfragen sind von jetzt an nur nach Lichtenberg zu richten.“
Doch bereits 1908 hatte man erneut mit der schlechten Zahlungsmoral von Kunden zu kämpfen:
„Konkursnachrichten: Alle diejenigen, welche am Konkurse August Janke in Kolberg beteiligt sind, werden gebeten, behufs Erzielung einer höheren Quote als im Zwangsvergleich angeboten, ihre Adresse umgehend an die Pianofortefabrik Adolf Lehmann & Co., Lichtenberg, Dorfstr. 49, gelangen zu lassen, worauf denselben nähere Details zugehen werden.“
1909 im Jahr des 20-jährigen Bestehens der Firma war Folgendes zu lesen:
„Die Hof-Pianoforte-Fabrik von Adolf Lehmann & Co. in Lichtenberg, Möllendorffstr. 49, blickt heute auf ein zwanzigjähriges Bestehen zurück. Am 1. Okt. 1889 gegründet, hat sich die Firma aus kleinen Anfängen heraus zu ihrer jetzigen Größe und Bedeutung emporgearbeitet. Sie nimmt heute eine angesehene Stellung in unserer Branche ein, und ihre Klaviere, von denen bis jetzt 22.000 Stück in alle Welt gingen, erfreuen sich überall des besten Rufes. Möge die Firma auf dem Wege des Erfolges so weiterschreiten wie seither.“
Das Gründungsdatum aber wird, nach H. Henkel, mit 1888 angegeben. Nicht selten gab es Ungereimtheiten in den Zeitungsanzeigen. Mittels Anzeigen wollte man erreichen, dass der Kunde kauft, nur das Beste, möglichst das Billigste, das Bekannteste, das Erfolgreichste. Versprachen nicht die Anzeigen von Adolf Lehmann Erfolgreiches? „Jahresproduktion ca. 3000 Instrumente“ war immer wieder in den Inseraten zu lesen!
Vom Oktober 1903 bis Januar 1910 wurden ca. 12.000 Klaviere gebaut. Bei einer Jahresproduktion von „ca. 3.000 Instrumenten“ müssten eigentlich bis 20.000 Instrumente gebaut worden sein. So könnte man nachrechnen. In der „Hoch-Zeit“ des deutschen Klavierbaus, vor dem Ersten Weltkrieg, lieferte die Firma tatsächlich einmal (1910/1911 und außerdem 1923/24) eine Jahresproduktion von über 3.000 Instrumenten. Das blieb eine Ausnahme gegenüber den immer wiederkehrenden Anzeigen. Wollte der „kleine“ Lehmann aus dem Schatten der großen Brüdern heraustreten? Wie viel wurde in der „Hoch-Zeit“ hergestellt?
„Bogs & Voigt“ lieferte bis 3.800; „J. Blüthner“ und „Aug. Förster“ kurzfristig ca. 3.000.
Weitere Firmen, die an die Zahl 3.000 herankamen waren: „Görs & Kallmann“, „Hoffmann, W.“, „Jbach“, „Hölling & Spangenberg“, sie produzierten schon 1883/84 an die 3.000 Instrumente.„Steinway & Sons“ brachten in dieser Zeit ein überzeugendes Vielfaches auf den Markt.
Auszugsweise Beispiele aus den Anzeigen:
21. Dez. 1911 – 28.000 Instr. hergestellt, Jahresproduktion ca. 3000 Instr.
21. Juli 1912 – 29.000 Instr. hergestellt, Jahresproduktion ca. 3000 Instr.
1. Sept. 1912 – 30.000 Instr. hergestellt, Jahresproduktion ca. 3000 Instr.
1. März 1913 – 31.000 Instr. hergestellt, Jahresproduktion ca. 3000 Instr.
11. Nov. 1913 – 32.000 Instr. hergestellt, Jahresproduktion ca. 3000 Instr.
21. Febr. 1914 – 33.000 Instr. hergestellt, Jahresproduktion ca. 3000 Instr.
1. Juli 1914 – 34.000 Instr. hergestellt, Jahresproduktion ca. 3000 Instr.
15. Jan. 1917 – 36.000 Instr. hergestellt, Jahresproduktion ca. 3000 Instr.
15. Juli 1921 – 40.000 Instr. hergestellt, Jahresproduktion ca. 3000 Instr.
15. März 1923 – 42.000 Instr. hergestellt, Jahresproduktion ca. 3000 Instr.
1. Mai 1924 – 47.000 Instr. hergestellt, Jahresproduktion ca. 3000 Instr.
15. Febr. 1929 – über 54.000 Instrumente hergestellt
Reklame lesen wir, oder auch nicht, in jeder Tageszeitung. Verlockende Angebote. Stimmen die angepriesenen Waren mit der Realität überein? Nach den fast zu häufigen Inseraten der Firma A. Lehmann vielleicht doch nicht. Auf diese Art aber kann man einen „Allerweltsnamen“ auch vermarkten.
„Feier zur Fertigstellung des 25.000 Pianos in der Fabrik von Adolf Lehmann & Co.:
Am Sonnabend den 26. November (1910) feierte die bekannte Pf-fabrik […] in würdiger Weise ein Fest anläßlich der Fertigstellung ihres 25.000sten Pianos. Die Firma besteht erst seit dem Jahr 1889 (eigentlich 1891), und es ist gewiß ein Zeichen für die Beliebtheit und Güte ihrer Fabrikate, wenn in dieser kurzen Spanne Zeit ein solcher Umsatz erreicht werden konnte. Die Instrumente sind aber auch auf dem ganzen Erdball zu finden, da die Firma neben ihren heimischen Verbindungen eine ausgedehnte Exportkundschaft besitzt.
Gleichzeitig wurden wieder zwei Meister der Fabrik für zehnjährige Tätigkeit durch Überreichung von Geschenken ausgezeichnet, da der Chef, Herr Eduard Brocks, das Prinzip verfolgt, Angestellte schon nach 10 Jahren auszuzeichnen, weil es in unserer heutigen Zeit immer seltener wird, daß Angestellte bei einer Firma eine Tätigkeit von 25 Jahren erreichen.“
1911 erging folgender Aufruf an die Berufskollegen:
„Die Firma Adolf Lehmann & Co. […] bittet diejenigen Pianofortefabrikanten, welche mit dem Lehrer a. D. Karl Gebhardt in Bielefeld […] geschäftliche Beziehungen gehabt haben und dadurch geschädigt worden sind, ihre Erfahrungen ihr bekanntzugeben und sich mit ihr ins Einvernehmen zu setzen, um event. ein gemeinschaftliches Vorgehen gegen Gebhardt herbeizuführen. Unsere Redaktion ist auch bereit, den betr. Firmen die nötigen Auskünfte zu geben.“
Der Firma wurde 1913 „vom Herzog von Anhalt der Hoflieferanten-Titel verliehen. Zur Führung dieses Titels wurde der Firma die Genehmigung des Königs erteilt.“ Im gleichen Jahr wurde „das Warenzeichen ‚Lehmanns Glockenflügel’ für einen kleinen symmetrischen Flügel eingetragen“ (H. Henkel).
1915 erschien eine große Anzeige über „25 Jahre Adolf Lehmann“. Wann wurde die Firma nun wirklich gegründet? Im Handelsregister wurde 1919 eingetragen: „Der Kaufmann Kurt Günther in Berlin-Lichtenberg ist in das Geschäft als persönlich haftender Gesellschafter eingetreten. Der Übergang der in dem Betriebe des Geschäftes begründeten Forderungen und Verbindlichkeiten auf die Gesellschaft ist ausgeschlossen. Die Prokura der Frau Anna Brocks geb. Fehn ist erloschen.“
„Herr Eduard Brocks konnte am 5. März d. J. (1923) sein 25 jähriges Jubiläum als Inhaber der Firma A. L. […] begehen. Die offizielle Feier wurde von ihm mit seinen Angestellten im engeren Familienkreise am 10. März festlich begangen. Herr Brocks hat es verstanden, die Firma […], die er in jungen Jahren übernahm, zu ungeahnter Blüte zu bringen und sie, dank seiner rastlosen Arbeit, seiner Energie und seinem Organisationstalent, zu einem der bestfundierten und angesehensten Unternehmen der Branche zu machen. Er kann daher mit stolzer Befriedigung auf seine 25 jährige erfolgreiche Tätigkeit zurückblicken.“
1929 erfolgte der Umzug der Firma nach Berlin-Pankow, Berliner Str. 69.
1931 wurden „Fabrik und Firma […] von Bernhard May käuflich erworben“ (H. Henkel).
Eine Nachricht aus dem Jahre 1939 sagt schließlich:
„Berlin-Halensee. Früherer Pianofabrikant Eduard Brocks, Karlsruher Str. 1, ist im Alter von 70 Jahren gestorben.“