Geissler, Franz
Pianofabrik in Zeitz, 1878 – 1931
Geissler oder Geißler, beide Schreibweisen sind richtig!
Zwei Jahre nach der Gründung stellte Geissler schon auf der Ausstellung in Halle im Oktober 1880 „1 Pianino“ aus.
Zur nächsten Halleschen Ausstellung 1881 stellte Geissler „2 Pianino´s“ aus. „… das eine Instrument in Naturkiefer – ganz eigenartiger Geschmack – wohl nur auf speciellen Wunsch gefertigt, während das andere kleine Instrument in gewöhnlicher Ausstattung grössere Accuratesse im Aeusseren gut vertragen könnte“.
Streik in der Pianofabrik, ja, in der Kaiserzeit, 1886, trotz der gegenwärtigen Arbeitslosigkeit. Die Arbeit der „Abputzer, Bodenmacher und Kastenmacher“ wurde niedergelegt, „weil sie sich einen Lohnabzug von 10% nicht gefallen lassen wollten … und für diesen Preis … nicht arbeiten wollen“.
Zur offenen Handelsgesellschaft gehörten seit 1891 die Gesellschafter der Pianofabrikant Franz Geißler und der Kaufmann Paul Emmerling.
Erstmalig stellt F. Geissler zur „Gewerbe- und Industrie-Ausstellung zu Zeitz“, 1891, ein mechanisches Piano aus.
1892 scheidet Franz Geißler aus der Pianofabrik aus. (Seine Spur verliert sich, während sein Name weiter geführt wurde.) Der alleinige Inhaber, „Paul Emmerling führt die Firma in unveränderter Weise weiter“.
1894, zur „Thüringer Gewerbe- und Industrie-Ausstellung zu Erfurt“ stellte die Pianofortefabrik „Ein Pianino in Nußbaum-Gehäuse, matt und blank poliert, mit mechanischer Spielvorrichtung (Ludwig Hupfeld´s Patent). Dasselbe ist mittelst Kurbel oder Electromotor, sowie mit der Hand spielbar. Ein Pianino in schwarzem Gehäuse. … Die Spielart und der Ton dieses meist elektrisch betriebenen mechanischen Pianos haben sich trotz des ungünstigen Standes an einer Außenwand und trotz der erheblichen Inanspruchnahme durch das fast unausgesetzte Spielen sehr gut gehalten … der dazugehörige Electro-Motor scheint jedoch noch nicht die gehörige Vollendung zu besitzen“.
1895 – einen besonderen Höhepunkt feierte die Firma mit der Fertigstellung des 5.000 Instrumentes. Herr A. Trommer, „herzogl. Sächs. Musikdirektor in Friedrichsroda“, komponierte extra einen Festmarsch. „In splendider Weise hatte Herr Emmerling für eine ausgezeichnete Festtafel mit darauf folgendem Ball gesorgt. Man konnte hierbei die Wahrnehmung machen, daß hier zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein überaus herzliches Einvernehmen besteht. Die Theilnehmer, welche die Zahl von 200 beinahe erreichten, waren in fröhlichster Stimmung bis in die frühesten Morgenstunden“. (Vergessen war der Streik vor 9 Jahren).
1899, zur Klavier-Ausstellung in Zeitz luden der Pestalozzi- und der Lehrer-Verein ein, um ein übersichtliches Bild „von dem gegenwärtigen Stande der Zeitzer Pianofortefabrikation“ und deren „ungeheureren Fortschritten“ zu zeigen. Firma Geißler stellte 2 Pianinos aus, je eines in Nußbaum-, das andere in Eichen-Gehäuse.
Interessant zeigte sich der neue Katalog von 1901 mit einer „Reihe von Pianino-Modellen (darunter als Spezialität Tropen-Pianos und zerlegbare Pianinos) und ihr mechanisches Orgelharmonium“.
1905 erhielt der Alleininhaber der Pianofortefabrik, Paul Emmerling, vom König von Rumänien das „Prädikat Königlicher Hoflieferant“ verliehen.
Ferdinand I. von Rumänien, auch Ferdinand I., der Treue genannt, schien treu zum Musikinstrumentenbau zu stehen. Er verlieh mehreren Klavierherstellern den Hoflieferanten-Titel. So auch Blüthner, Emmer, Irmler, Liehr, Manthey, Roth & Junius, Rudhard Koblenz, und weiteren den Titel. Natürlich verliehen auch andere Oberhäupter diese Anerkennung. Beim Stimmen eines Blüthner-Instrumentes kann man den Kunden mit dem Hinweise auf die vielen Titel ihr Instrument besonders wertvoll erscheinen zu lassen. 1908 kam das 15.000 Instrument zum Versand. Zwei Jahre später das 16.200.
Paul Emmerling starb am 2. Jan. 1914, erst 54 Jahre alt. „Ein angesehener und beliebter Fachgenosse ist aus den Reihen der deutschen Pianofortefabrikanten geschieden“. Seine Witwe übernahm die Firma.
Ein Mignon-Flügel wurde 1914 mit der Seriennummer 20.000 ausgeliefert. „Gewiß ein Beweis für die Beliebtheit der Geißler´schen Fabrikate … Aber auch sonst in der ganzen Welt haben die Geißler-Pianos überall Abnehmer gefunden und erfreuen sich großer Beliebtheit“.
Mitten im Krieg übernahm die Firma Otto Scheffler in Insterburg die Alleinvertretung der Geißler-Instrumente.
Ein Katalog von 1916 zeigte 17 Pianino- und drei Flügelmodelle, „sowie eine Ansicht der ausgedehnten Geißler´schen Fabrikanlagen. … Ganz besonders erwähnt zu werden verdient, daß es der Firma Geißler gelungen ist, trotz des Krieges und der damit verbundenen Schwierigkeiten 5 neue Pianinomodelle und ein neues Flügel-Modell zu schaffen, die durchweg vorzüglich gelungen sind“.
Dem Sohn von Paul Emmerling, dem Kaufmann Willy Emmerling wurde 1919 Prokura erteilt.
Musik-Fachausstellung in Zeitz, 1924, die „Firma F. Geißler hatte von ihren bekannten, seit Jahren bestens eingeführten Fabrikaten ein Mahagoni-Klavier, einen Flügel und ein Kunstspiel-Piano ausgestellt, die hinsichtlich Ton und Spielart der Fabrik alle Ehre machten“.
1925 erfolgte die „Übernahme der Firma F. Geißler durch Willy Emmerling. Die seit 1878 bestehende Hof-Pianofortefabrik F. Geißler in Zeitz, welche sich über drei Jahrzehnte im Familienbesitze der Familie Emmerling befindet, ist … an Herrn Willy Emmerling übergegangen. Der Betrieb … gehört mit zu den größten der Branche. In demselben werden eine sehr große Anzahl alter Facharbeiter mit 25 bis über 40 Dienstjahren beschäftigt. Für die hergestellten Instrumente wird dadurch und unter Einbeziehung der langjährigen Erfahrungen im Bau von Tasteninstrumenten sowie Verwendung nur guter Rohstoffe eine sichere Gewähr hinsichtlich Güte und Solidität geboten. Ein Geißler-Klavier ist ein Instrument von Ruf sowohl bei der deutschen als auch der Weltkundschaft; es wird infolge seiner vorzüglichen Eigenschaften gesucht und sehr gern gespielt. Demzufolge steigert sich der Absatz fortwährend. Um allen Nachfragen genügen zu können, ist dem in weitsichtiger Weise durch rechtzeitige Betriebserweiterungen in den letzten Jahren Rechnung getragen worden. So ist auch Ende des vergangenen Jahres ein großer, moderner, 5 Stockwerke umfassender Erweiterungsbau allen Verhältnissen zum Trotz fertiggestellt worden. Die Inbetriebnahme dieses Neubaues erfolgt in diesen Tagen.
Die Firma F. Geißler hält auch weiterhin an den überlieferten Grundsätzen fest, nur einwandfreie Instrumente in guter Qualität auf den Markt zu bringen. Dies werden nicht nur alle alten Freunde und Kunden des Hauses F. Geißler begrüßen, sondern auch alle künftigen Abnehmer werden die Einhaltung dieser Tatsache mit Befriedigung feststellen können“.
„Nicht nur etwas können, sondern auch etwas gelten“, ein Spruch zum 50jährigen Bestehens der Firma im Jahre 1928. „Im Sinne dieses urgesunden Strebens hat die Firma … auf ein 50jähriges Bestehen zurückblicken“ können. Nach dem Eintritt von Paul Emmerling 1891 entwickelte sich „das heute weltbekannte Unternehmen. … Von seinem damaligen Meister Lippmann, einem weit über Zeitz hinaus bekannten Klavierfachmann, auf das beste unterstützt, ging Paul Emmerling sehr bald daran … Verbesserungen durchzuführen“.
Großherzoglich badische und königlich rumänischen Hoflieferantentitel ehrten die Pianofabrik.
„Paul Emmerling zählt zu den wenigen, die schon damals die Zukunft der mechanischen Musik mit weitem Blick erkannten, und auch in der Lage waren, besondere Anregungen zu geben und somit an der Begründung eines völlig neuen Fabrikationszweiges zu arbeiten. Hand in Hand mit der zu jener Zeit aufstrebenden Firma Ludwig Hupfeld in Leipzig machte er die ersten Versuche mit einem 36tönigen Klaviervorsetzer mit der runden Ariston-Notenscheibe. Wenn der Apparat auch noch unzulänglich war, so war doch das Prinzip der Konstruktion gefunden, und sehr bald sehen wir die Firma F. Geißler mit der Herstellung mechanischer Klavierspielapparate beschäftigt, deren Einbau in ihre Klaviere sie auch selbst besorgte. Die auf diese Weise gewonnenen Erfahrungen hat die Firma mit dem besten Gelingen auf ihre Tasteninstrumente anzuwenden gewußt, wie ja Paul Emmerling niemals Stillstand, sondern mit regem Fleiß und großem technischen Verständnis immer wieder praktische Neuerungen ersann und durchführte.
Dieser Zeitabschnitt seiner Tätigkeit, bedeutsam durch sein Wirken als Pionier der Musikwerkeindustrie, ist so recht geeignet, die Vielseitigkeit Paul Emmerling’s zu zeigen. Sein Bestreben war es, nicht nur immer besseres zu leisten, sondern auch den Namen seiner Firma, ihren Leistungen entsprechend, in der Welt bekannt zu machen. So konnte die Firma, wenn auch schrittweise, Erfolg an Erfolg reihen und den Betrieb immer weiter ausbauen und vervollkommnen. In August Menzel, dem Nachfolger Lippmann’s, stellte sich Paul Emmerling einen Betriebsleiter und Konstrukteur von bedeutendem Können zur Seite. Das Wirken dieses befähigten Fachmanns ist mit der Leistungsfähigkeit der Geißler-Instrumente aufs engste verknüpft, ein Beweis, daß es Paul Emmerling verstanden hat, den rechten Mann auf den rechten Platz zu stellen.
Diese so erfreuliche Entwickelung wurde durch den Weltkrieg jäh unterbrochen, und das in vieljähriger Arbeit geknüpfte Netz der ausländischen und überseeischen Beziehungen zerstört. Zudem wurde das Unternehmen im ersten Kriegsjahr durch den Tod Paul Emmerling’s seines Inhabers beraubt, der allzufrüh, im 54. Lebensjahre, einem tückischen Leiden erlag.
Während der schweren Kriegszeiten stand Betriebsleiter Menzel der Witwe des Inhabers treu zur Seite, bis nach der Wiederherstellung des Friedens der jetzige Inhaber Willy Emmerling, der einzige Sohn des Verstorbenen, aus russischer Gefangenschaft heimkehrte und die Leitung des Unternehmens übernahm. Willy Emmerling ging mit frischen Kräften ans Werk, um die vieljährig unterbrochenen in- und ausländischen Verbindungen wieder anzuknüpfen, und es gelang ihm, dem Unternehmen einen neuen Aufschwung zu geben. Die Qualität der Geißler-Instrumente war nicht nur beibehalten, sondern in wesentlichen Punkten sogar noch gesteigert worden, mit dem Erfolge, daß die vorhandenen Räume zur Befriedigung der Nachfrage nicht mehr ausreichten. Willy Emmerling faßte daher den Entschluß, einen neuen modernen Fabrikbau neben den alten Fabrikationsstätten auf dem Eckgrundstück Posaer und Schützenstraße zu errichten. … Dem gefälligen Äußeren entspricht das zweckmäßige, alle Erfahrungen des modernen Fabrikbaues vereinigende Innere. Alle Arbeitsräume sind hoch, hell und luftig und entsprechen den Anforderungen der Hygiene und modernen Betriebsweise in gleichem Maße.
Hervorzuheben ist die umfangreiche Maschinenanlage, die zu den modernsten und vollkommensten der deutschen Klavierfabrikation gerechnet werden darf. Die weitverzweigten Räume zu durchwandern, das zeitgemäße Dampfkesselhaus nebst Akkumulatorenanlage zu sehen und die langen Fronten der gedeckten Holzlagerplätze abzuschreiten, gereicht dem Fachmann zu großer Freude und nötigt ihn zu rückhaltloser Anerkennung. Die Firma hat ihre Arbeitsmethoden der heutigen Zeit entsprechend umgestellt und ist mit Erfolg bestrebt, allen Erzeugnissen die eigene Note zu geben. So läßt sie durch die Gießerei ihre Schutzmarke und die laufende Opuszahl in die Platte gießen. Die Fabrikanlage bedeckt einen Flächenraum von rund 15 000 qm, in ihr sind z. Z. rund 150 Arbeiter und Angestellte beschäftigt. Unter den treuen und bewährten Mitarbeitern der Firma befinden sich Jubilare, die über 25, und sogar schon über 40 Jahre im Hause tätig sind.
Wie sein Vater, hat es auch der Sohn verstanden, auf gesunder Grundlage, in logischer Entwicklung des Betriebs, fortzuschreiten und den Ruhm der Marke F. Geißler zu mehren. Dadurch hat er, nunmehr auch unterstützt durch seinen kaufmännischen ersten Mitarbeiter, Prokurist Max Kannenberg, den Kreis seiner Abnehmer erweitern und dem Geißler-Instrument neue Freunde werben können. Möge der kleine Flügel, das jüngste, vielversprechende Erzeugnis des Hauses F. Geißler, die Kette der Erfolge fortsetzen und dazu beitragen, das Unternehmen einer weiteren glücklichen Zukunft entgegen zu führen!
Der 1. September (1928) ist vom Hause Geißler in aller Stille begangen worden. Die Bemühungen der Firma, den Gründungstag der Firma aus amtlichen Archiven einwandfrei zu ermitteln, hatten das gewünschte Ergebnis leider zu spät gezeitigt, als daß eine Jubiläumsfeier hätte veranstaltet werden können. Gleichwohl hatten es sich Freunde der Firma und des Inhabers nicht nehmen lassen, des freudigen Ereignisses durch Glückwünsche, Blumenspenden und sonstigen Angebinde zu gedenken. Ein halbes Jahrhundert ist vollendet. Ein herzliches Glückauf für die nächsten 25 Jahre“!
Drei Jahre später wurde das Vergleichsverfahren über das „Vermögen der Firma F. Geißler … und das ihres Inhabers Willy Emmerling“ eröffnet und Anfang Dezember 1931 nach Vergleich aufgehoben.
„Mit welcher Zuversicht man an den Wiederaufstieg der Branche glaubt und mit welch unerschütterlicher Willenskraft an die Aufbauarbeit gegangen wird das zeigt … der neue Prospekt (1934) der altangesehenen Piano- und Flügelfabrik F. Geißler in Zeitz“. – Ja, der Prospekt war gelungen, allein, die Wirkung blieb aus, um die Firma wurde es still – totenstill.
Seriennummern siehe Pianoatlas (Großbach)
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