Leutke, Herbert
Pianofortefabrik in Leipzig, in Berlin und wieder in Leipzig, 1920-1927
Herbert Leutke, der Kaufmann aus Leipzig, Ehrendoktor, Ehren-Senator, Inhaber verschiedener Pianofabriken, eine berühmte Persönlichkeit. Und doch sind persönliche Daten aus dem Leben von Herbert Leutke in der ZfI nicht vorhanden. Die meisten Zitate aus der Zeitschrift beinhalten die wechselnden Personalien seiner Firma.
Frühe Nachweise für die spätere Pianofortefabrik Leutke beginnen schon 1904 mit der Firma H. Peters & Co. in Leipzig. Die Witwe Peters und der Kaufmann Hermann Ferdinand Leutke wurden als Gesellschafter der Firma eingetragen. 1905 übernahm dann sein Sohn, der Kaufmann Herbert Leutke und ein Mitarbeiter „die 1887 gegründete Firma H. Peters & Co., Musik-Grosso-Haus in Leipzig“. Ende 1914 wurde Herbert Leutke alleiniger Inhaber „der Firma H. Peters & Co., Musikwerke- und Instrumenten-Großhandlung in Leipzig“.
Das 30jährige Jubiläum der Firma H. Peter & Co. wurde 1917 begangen. Nach dem Tode „ihres Gründers, Hans Clemens Peters, blieb die Firma in den Händen seines Schwagers, Herrn Hermann Leutke, und wurde später von dessen Sohn, Herrn Herbert Leutke, übernommen“.
1918 erfolgte die Umwandlung der Firma H. Peters & Co., Musikinstrumenten-Großhandlung in eine G.m.b.H., mit Geschäftsführer Herbert Leutke.
„Die Firma H. Peters & Co. G.m.b.H., Pianofortefabrik … ist (1920) in H. Leutke G.m.b.H., Flügel- u. Pianofabrik umgeändert worden. Herr H. Leutke hat sich zu dieser Änderung entschlossen, einesteils weil seine Firma fortgesetzt mit dem Musikinstrumenten-Grossohaus H. Peters und der Musikalienhandlung C. F. Peters verwechselt wurde, anderseits weil sich in der G.m.b.H. nur Leutke´sche Familienmitglieder befinden und er später die Firma einmal auf seinen Sohn zu übertragen wünscht“.
Im gleichen Jahr erfolgte die Verlegung des Fabrikbetriebes von Leipzig-Möckern nach Leipzig-Gohlis, Wilhelmstr. 8 – 18, „… und dieselbe mit allen modernen Maschinen der Neuzeit entsprechend eingerichtet. … so daß die Produktion mit Leichtigkeit auf das Doppelte gesteigert werden kann“.
Der Doppel-Konzertflügel
Seit Dezember 1920 bewundern Laien, Musiker und Fachleute den Flügel. „Daß es sich bei einem solchen außergewöhnlichen Instrument nicht um ein laufendes Modell, sondern in der Hauptsache nur um ein glänzendes Zug- und Reklamestück handeln kann, darüber dürfte sich die Firma Leutke wohl von vornherein im klaren gewesen sein. Der mächtige Leutke-Doppelkonzertflügel, 3,20 m lang, ist völlig symmetrisch in Form eines Rechteckes gebaut. Er weicht von ähnlichen früheren Versuchen – wie dem unschönen Doppelflügel von Mangeot in Nancy, Ende der siebziger Jahre, bei dem die beiden Instrumente übereinander lagen, und dem von Pleyel-Wolff in Paris, der mit einem geteilten Resonanzboden versehen war – in vorteilhaftester Weise ab und stellt in der Konstruktion einen wirklich neuen Typ dar. Die beiden Spieler sitzen sich gegenüber, und die Einheit des Resonanzbodens macht die Verschmelzung der Tonarten, was beim Zusammenspielen der beiden Spieler eine ungeahnte Tonkraft erzeugt. Sinnreiche Vorrichtungen am Resonanzboden verhindern jedoch das Ineinanderfließen der Töne.
Wie jeder Musiker weiß, ist es für das Zusammenspiel außerordentlich wichtig, daß die beiden Spieler sich beständig beobachten können, und die Aufgabe ist hier in recht glücklicher Weise gelöst, indem die Pulte in keiner Weise die freie Aussicht verhindern. Bemerkenswert ist auch die äußerst praktische Einrichtung der Deckelstütze, die selbsttätig in die Führung einfällt, sobald man den Deckel in die gewünschte Höhe gebracht hat.
Der Leutke-Doppelkonzertflügel ist von dem trefflichen Betriebsleiter der Firma Leutke, nämlich Herrn Max Böhme, welcher einer alten Klavierbauer-Familie entstammt, ersonnen und erbaut worden. Herr Böhme, der infolge seiner Tatkraft und seines technischen Könnens schon längst als Gesellschafter in die Firma eingereiht worden ist, hat dadurch der Firma Leutke ein Reklamestück geschaffen, wie man es sich wirkungsvoller nicht denken kann“.
Zur Frühjahrsmesse 1921 sind „nicht nur ihre kuranten Flügel und Pianinos in allen Holz- und Stilarten“ zu sehen, sondern eben der Doppel-Konzertflügel. Zur Vorführung des Flügels fand ein Kammermusik-Abend mit hochkarätigen Pianisten. „Den Interessenten wird also Gelegenheit geboten, … ihn auch von Künstlern ersten Ranges vier- und achthändig vorgespielt zu hören. Als besondere Neuheit bringt die Firma Leutke auch ein äußerst billiges Qualitätspiano zur Ausstellung“.
Ein Katalog von 1921 zeigte 6 Flügel- und 6 Pianino-Modelle, die in ihren verschiedenartigen stilvollen Entwürfen und ihrer edlen Linienführung eine Augenweide bilden. … Die letzte Seite des Kataloges bringt zwei Innenbauansichten eines Leutke-Pianinos; die eine von vorne läßt den gefälligen, stabilen Eisenrahmen, die andere den Rückenbau mit besonders starker Raste und großem Resonanzboden erkennen“.
1921 erfolgte die Umwandlung der G.m.b.H. in eine Aktiengesellschaft mit dem Vorstand Herbert Leutke der kurze Zeit später „die Gesellschaft allein vertritt“.
Der Höhepunkt im Leben von Herbert Leutke geschah 1923. Er wurde, wie schon oben erwähnt, „in Ansehung seiner Förderung der musikwissenschaftlichen Abteilung der Universität Innsbruck von der philosophischen Fakultät dieser Universität zum Ehrendoktor ernannt. – Des weiteren wurde Herr Herbert Leutke … vom Rektorat und Senat der Universität Freiburg i. B., zum Ehren-Senator ernannt“.
Mitte August 1923 wurde ein zweites Werk in Leipzig in Betrieb genommen, ebenso eine Zweigniederlassung in Dresden, – beides allerdings kurzfristige Unternehmungen.
Die H. Leutke A.-G. erwarb zum Jahresende 1923 käuflich die Orgel-Harmoniumfabrik von R. Metzner in Leipzig. R. Metzner „wird sie als alleiniger Direktor unter der Firma Orgel-Harmoniumfabrik R. Metzner, Zweigfabrik der H. Leutke A.-G. in Leipzig, weiterführen“. Reklame in der ZfI 1925: „Im Reich der Töne“, ein Album der Firma, äußerlich wie ein Notenheft, drinnen Original-Kompositionen zeitgenössischer Musiker, „Stimmungsbilder aus dem Reich der Töne, die die Firma ihren Freunden widmet, intime Musikszenen, deren Mittelpunkt ein Leutke-Klavier bildet“.
Zur Messe 1925 stellte die Firma erstmalig ein Leutke-Harmonium aus (vermutlich nur ein kleine Anzahl), und es „kommt auch das langersehnte Volkspiano Carmen zur Vorführung“.
Ein Katalog von 1925 zeigte 4 Flügel- und 7 Pianino-Modelle. „Zum Schlusse finden wir einige Urteile über Leutke-Instrumente und ein Verzeichnis der Niederlagen und Vertretungen im Auslande“.
Ende 1925 wurde der Antrag auf Geschäftsaufsicht gestellt. Kurze Zeit später teilte die Verwaltung der Pianofabrik mit: „… ist der Vergleich mit den Gläubigern der Gesellschaft, welcher eine volle Befriedigung vorsieht, zustande gekommen. Der Antrag auf Stellung unter Geschäftsaufsicht ist daher zurückgezogen worden“.Nachdem aber das Geschäftsjahr 1925 mit großen Verlust abgeschlossen wurde, plante Leutke die Firma Demusin in Berlin zu erwerben. Es blieb beim Plan.
Mitte 1926 schied Dr. Herbert Leutke als Vorstand der Aktiengesellschaft aus. Nach Zahlungseinstellungen wurde das Konkursverfahren eröffnet und das Grundkapital herabgesetzt. Während des Konkursverfahren wurde der Betrieb „fortgeführt und eine Sanierung des Unternehmens geplant“.
1927: „Da beträchtliche Forderungen zu berücksichtigen sind, kann der Konkursverwalter jetzt noch nicht sagen, welche Dividende auf die nichtbevorrechtigten Gläubiger entfällt; jedenfalls wird es sich nur um wenige Prozente handeln“.
1928: „Die Konkursmasse ist bis auf zwei Instrumente und einige Außenstände verwertet worden“.
Im folgenden Jahr erfolgte nach dem Konkursverfahren die Schlußverteilung. „De Wit 1929 erwähnt die Firma nicht mehr“. (Henkel)
Leutke, Herbert
Pianofabrik, Berlin, 1926 – 1930
Mitteilung im August 1926: „Herr Dr. h. c. Herbert Leutke teilt uns mit, daß er, nachdem er aus der H. Leutke A.-G. in Leipzig ausgeschieden ist, inzwischen unter der Firma Herbert Leutke in Berlin 0 27, Blumenstraße 70, eine Pianofortefabrik gegründet hat“. Kurze Zeit später erfolgte die Eintragung der Firma im Berliner Handelsregister mit dem Inhaber Kaufmann Herbert Leutke. Blumenstraße – bei den vielen Berliner Pianofabriken ist es nicht verwunderlich, dass auf einer Straße mehrere Pianofabriken produzierten. In den Anwesen der Blumenstraße 70 erklangen von 1893 bis 1930 Klaviertöne von fünf Firmen.
1927 veröffentlichte die „Firma Herbert Leutke, Pianofabrik in Berlin“ eine Erklärung: Die Berliner Firma ist mit der „in Konkurs geratenen Firma H. Leutke A.-G. in Leipzig nicht identisch. Um Verwechslungen zu vermeiden, machen wir auf Wunsch der erstgenannten Firma hierauf besonders aufmerksam“.
Mitte des Jahres 1927 verlagerte die Firma ihre Produktion von der Blumenstr. 70 in die Warschauer Str. 70. „Mit der Verlegung ist eine wesentliche Vergrößerung des Betriebes verbunden. Durch diese neuen modernen Fabrikräume, die mit allen technischen Neuerungen versehen sind, ist die Lieferungs- und Leistungsfähigkeit der Firma wesentlich vergrößert“. Auch auf dieser Straße versuchten 11 Pianofabriken ihre Modelle in aller Welt anzubieten.
Mitte des Jahres 1928: „Die Firma Herbert Leutke, Pianofabrik in Berlin … macht darauf aufmerksam, daß weder sie, noch ihr Mitinhaber … mit der Pianovertriebsgesellschaft Leutke m.b.H. in Leipzig … finanziell irgendwie zusammenhängt. … Die Firma Leutke m.b.H. hat lediglich die Vertretung der Firma Herbert Leutke für Leipzig und Umgebung; dies ist aber auch die einzigste Verbindung, die besteht. Von finanzieller oder Interessengemeinschaft beider Firmen kann keine Rede sein“.
Die Firma lautete ab 1928: „Herbert Leutke Kommandit-Gesellschaft … Ein Kommanditist ist in die Gesellschaft eingetreten“, während der Kaufmann Herbert Leutke schon im Oktober 1928 die Gesellschaft verlassen hat.
Ende 1928: Herbert Leutke in Berlin hat „unter der Firma E. Popper G.m.b.H. in Berlin … ein Piano-Groß- und Kleinhandels-Geschäft errichtet“. Außerdem war Herbert Leutke Geschäftsführer der Firma „Waltraud-Piano G.m.b.H. in Berlin“, – die er bereits 1929 verließ.
Mitte des Jahres 1929, noch eine Erklärung:
„Die Firma Herbert Leutke Kommanditgesellschaft, Pianofabrik in Berlin … bittet uns mitzuteilen, daß sie mit der Firma Piano-Vertriebsgesellschaft Leutke m.b.H. In Leipzig …weder identisch sei noch in irgend einem direkten oder indirekten Zusammenhange mit ihr steht. Genannte Firma habe lediglich die Vertretung des Fabrikates der Firma Herbert Leutke Kommanditgesellschaft, gehabt“.
„Im Mai 1930 stellt die Firma die Zahlungen ein, am 11. Juli 1930 wird das Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses über das Vermögen der Firma eröffnet und nach Vergleich am 8.Aug. 1930 aufgehoben. Die Firma wird danach nicht wieder erwähnt“. (Henkel)
Pianoforte-Vertriebsgesellschaft Leutke m.b.H., Pianofabrik und Handel,
Leipzig, 1926 – 1928
Eintrag im Handelsregister 1926: „wurde die Firma Pianovertriebs-Gesellschaft Leutke m.b.H. in Leipzig, Gottschedstr. 21. Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung und der Vertrieb von Musikwaren aller Art, im besonderen von Pianinos und Flügeln und der Handel damit“.
Henkel: „… alle Anteile besitzt Herbert Leutke, Berlin. Er verkauft sie … 1928 an Prof. Dr. Hennig und Frl. Hedwig Franke“. Wenige Monate später schied Dr. Hennig als Geschäftsführer aus, zwei Jahre später auch die alleinige Geschäftsführerin Frau Hedwig Franke. „Die Gesellschaft ist aufgelöst und die Firma erloschen“.
Ende 1927: „Die Firma Piano-Handelsgesellschaft m. b. H. in Aachen, Zweigniederlassung der Piano-Handelsges. m.b.H. in Leipzig, wurde im Handelsregister eingetragen. … Geschäftsführer: Arthur Raimund Hirsch, Kaufmann in Leipzig“. Im „Weltadressbuch der Musikinstrumenten-Industrie“ von 1929 ist die Firma nicht mehr verzeichnet.
War´s das, Herr Dr. h. c. Herbert Leutke?