Dieter's Klavierseiten

Datenarchiv des Klavierbaus

Dieter's Klavierseiten

Kaeferle, Carl Heinrich – Blinder Klavierbauer

1. Kaeferle, Carl Heinrich

Klavierbauer/Pianofabrik, Ludwigsburg, 1796-1904

Das „Neue historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler“ von 1813 berichtet von Karl Heinrich Kaeferle, er war „ein blinder Mechanicus und Klavierinstrumentmacher zu Ludwigsburg, geb. zu Waiblingen im May 1768, verlor schon am vierten seiner Tage, durch Krankheit, das rechte, und 4 Jahre darauf, durch einen spitzigen Bolzen, den einer seiner Spielkammeraden aus einem Blasrohre auf ihn schoß, auch das linke Auge. Nun entdeckte sich noch ein Schimmer vom Lichte im rechten; aber auch diesen verlor er durch eine unglückliche Operation. 1780 bezog sein Vater, ein Müller, eine größere Mühle in dem Dorfe Hoheneck, unweit Ludwigsburg. Hier fing er nun zu seiner Unterhaltung an, allerley Geräthschaften ins Haus zu schnitzen, verfertigte sich einen Drehstuhl und versah das Dorf mit Kegelspielen, Spinnrädern und Garnhaspeln. Und um seine Arbeit mehr zu fördern, verband er geschickt seinen Drehstuhl mit dem Räderwerke der Mühle, wo durch seine Arbeit immer bedeutender wurde. Nach mehreren glücklich durchgesetzten mechanischen Unternehmungen, muthete man ihm endlich auch zu, die Bälge in der Orgel auszubessern. Dies erregte in ihm die Begierde, das Klavierspielen zu lernen. Sein Vater verschaffte ihm sogleich ein Klavier, und kaum hatte ihm der Schulmeister des Orts 4 Monate lang Unterricht gegeben, als er schon einige Choralmelodien spielen konnte. Jetzt kam er von ungefähr nach Ludwigsburg, wo er im Gasthofe einen Pantalon (Hackbrett-artiges Instrument) spielen hörte. Er gerieth darüber in Entzückung, und bat, man möchte ihm die Mechanik dieses Instruments auseinander legen.

Käferle

Dies geschah, und nach dem er Alles genau befühlet hatte, kehrte er mit dem kühnen Gedanken zurück, ein ähnliches Instrument zu verfertigen, welches er auch, trotz aller Schwierigkeiten, 1790 zu Stande brachte. Ein zweyter Besuch in Ludwigsburg machte ihn mit einem Spathischen Tangenten-Flügel bekannt. Er verfuhr, wie mit jenem Instrumente, bey der Untersuchung verkaufte nach seiner Zuhausekunft seinen Pantalon, und machte in kurzer Zeit zwey Tangenten Flügel, die ebenfalls ihre Liebhaber fanden.

Käferle
3

Nun rühmte man ihm die Steinschen Fortepiano’s. Sein Ehrgeiz ließ ihn nicht eher ruhen, bis er Gelegenheit gefunden hatte, auch davon eins zu hören und zu untersuchen. Dies sah er für die Zukunft als sein einziges Muster an. Er erfand sich nun ganz besondere zweckmäßigere Werkzeuge, zog 1797 nach Ludwigsburg und arbeitete ununterbrochen fort, so daß er im 1799 schon das fünfte Fortepiano in der Arbeit hatte, wovon das vierte, mit Mahagony ausgelegt, im vorhergehenden Jahre für 16 Louis d’or verkauft worden war. Das Wunderbarste dabey ist, daß, seine Arbeit die von manchem gelernten Instrumentmacher übertrifft“. (1)

Käferle

Zur „Allgemeinen Deutschen Industrieausstellung“, München 1854, stellte Kaeferle ein „1 Tafelpiano in Palisander. 6 ¾ Octaven C. A. fl. 230“. (1)

Käferle
3

Aus dem Katalog zur Weltausstellung 1873 in Wien:
„F. Käferle Söhne (Georg und Ferdin. Käferle jun.), Ludwigsburg, Württemberg. – Pianinos und Tafelpiano. Pianofortefabrik. Gegründet im Anfange des Jahrhunderts. Spez. übersaitige Pianinos mit Eisenconstruction. Es werden jährlich 150-160 Instrumente fabricirt. Absatz hauptsächlich auf deutschen Märkten, theilweis nach Süd-Amerika. 18 Arbeiter, Mechaniken und Claviaturen werden von ausserhalb bezogen.“ (1)

Käferle

1874 stellte die Pianofortefabrik „ein hohes kreuzsaitiges Pianino im Palissanderholzkasten, dessen Preis 870 Rmk. im Verhältniss zur Güte des Instruments sehr billig erschien“. (1)

Käferle
3

In Stuttgart erhielt Käferle zur Württembergischen Landesgewerbe – Ausstellung, 1881 die „Broncene Medaille“ mit der Bemerkung: „Das Pianino von F. Käferle in Ludwigsburg ist aufgeschlossener im Tone, kreuzsaitig im Bau, elegant in Nussbaumgehäuse und steht mit seinem Landsmanne zum mindesten ebenbürtig“. (2)

„Auf der Gewerbeausstellung zu Ludwigsburg in Württemberg, 1886, befinden sich auch mehrere Pianos von der Firma F. Käferle Söhne daselbst. Die Prinzessin Charlotte, welche am 17. Juli, gelegentlich ihres Besuches der Ausstellung, die Instrumente spielte, äusserte sich recht günstig über dieselben“. (2)

Käferle

In Ludwigsburg starb am 23. October 1887 „der ehemalige Pianofabrikant Ferd. Käferle sen. nach langem Leiden im zurückgelegtem 86. Lebensjahre“. (2)

„Die Firma wird am 15. Juli 1890 gelöscht, doch ab etwa 1. Sept. 1890 unter der Firma »Käferle’sche Pianofabrik vormals Ferd. Käferle Söhne« (der Name hier immer mit ä, nicht mit ae geschrieben) fortgesetzt. 1900 wird wiederum ein Georg Kaeferle als Alleininhaber angeführt, doch ist dieser erst 1875 geboren, folglich nicht mit dem vorherigen identisch, sondern vermutlich ein gleichnamiger Sohn, er stirbt, erst 29 Jahre alt, am 29. Mai 1904. Die Mutter, schon verwitwet, annonciert im Juli 1904 Fabrik und Firma zum Verkauf“. (H. Henkel)

2. Ein blinder Klavierstimmer

Die Geschichte eines blinden Klavierstimmers, des Herrn Kurt Richter, (1904 – 1989) bewegte mich sehr.
Meine Klavierstimmer-Ausbildung in der sächsischen Klavierfabrik Zimmermann erhielt ich in den 60er Jahren von oben Genannten. Nichts außergewöhnliches oder doch? Der damals über 60 Jahre alte Mann versorgte seine pflegebedürftige, schwerbehinderte Frau. Ich besuchte ihn und stand ihm mit kleinen Hilfsdiensten zu Seite. Oft sagte ich: Du siehst ja mehr, als ich. Er nähte, reparierte, kochte im Haushalt, ging einkaufen, er schnitzte eine Weihnachtskrippe und mein höchster Respekt galt seiner Blindenbibel die er im Laufe der Jahre schrieb und in mehreren Schränken aufbewahrte. Oft las er mir aus seiner Blindenbibel vor – welch ein Gewinn!
Er besuchte seit 1908, nach seiner Erblindung im vierten Lebensjahr, die damalige Landesanstalt für Blinde in Chemnitz. Er erhielt neben dem schulischen Unterricht eine sehr gründliche, musikalische Ausbildung, ebenso im Klavierbau einschließlich Klavierstimmen. Er wurde Leiter einer Blindenblaskapelle. Wie musiziert wurde, ist mir schwer vorstellbar. Und doch geschah Unglaubliches. Als sich unsere beruflichen Wege trennten, „schrieb“ er mir als Andenken einen Marsch für vierstimmigen Posaunenchor auf und nannte ihn „Freundesgruß“. Er bat mich Notenpapier und Schreibgerät mitzubringen. Er diktierte die einzelnen Stimmen, er überlegte, er korrigierte – nach mehreren Tagen war das Werk vollbracht. Der Marsch war für den Posaunenchor zwar etwas anspruchsvoll und musste mehrfach geübt werden um einen einigermaßen klanglichen Eindruck zu gewinnen. Zur Freude meines blinden Klavierstimmers konnten wir den Marsch nach gründlichen Proben ihm zu Gehör bringen, ihn und uns zur Freude. Den „Freundesgruß“ halte ich bis heute noch in Ehren.

3. Ungewöhnlichen Begabungen eines blinden Fachgenossen, A. Tsamourtzis

„Es scheint, als ob eine gütige Vorsehung die harte Hand des Schicksals zu mildern trachtet, indem sie dem Blinden ein verfeinertes Tastgefühl verleiht und seinen Sinn für Musik schärft.

Käferle

Auch bei Herrn A. Tsamourtzis, einem griechischen Fachgenossen, ist dies der Fall, und mit Rührung und Bewunderung müssen wir bei ihm eine Beobachtungsgabe, Energie, Tatkraft und musikalische Begabung feststellen, wie sie bei Blinden nicht alltäglich ist. Es wird unseren Lesern willkommen sein, etwas aus dem Leben dieses bemerkenswerten Mannes zu erfahren:
Tsamourtzis, schon frühzeitig erblindet, kam als ganz junger Mann aus seiner Heimat Pergamos in Kleinasien nach Athen. Hier besuchte er einige Jahre die Musikschule und erhielt wegen seines Fleißes und musikalischen Talentes ein Stipendium, welches ihm ermöglichte, nach Wien zur weiteren Ausbildung zu gehen. In Wien erhielt er von der Firma C. Rind ein Diplom als Klavierstimmer und von der Firma L. Bösendorfer ein solches als Konzertstimmer und Repara- teur, außerdem wurde ihm der Titel eines Professors der Theorie vom Kaiserlichen Institut verliehen. Seit dem Jahre 1912 übt Tsamourtzis in Athen seine Praxis als Klavierstimmer und Reparateur bei Hofe, in den Musikschulen und in den meisten Familien aus. Durch Fleiß und Geduld ist er dahin gekommen, jedes Instrument reparieren und gründlich herstellen zu können.
Das allgemeine Vertrauen zu seinen Fähigkeiten, seiner Fachkenntnis und Zuverlässigkeit bewog ihn vor zwei Jahren, selbst ein Pianomagazin zu errichten, mit dem er großen Erfolg hat und darin in Athen den ersten Rang einnimmt. Er ist heute Vertreter folgender Firmen: L. Bösendorfer – Wien, C. Rönisch – Dresden, Ludwig Hupfeld Aktiengesellschaft-Böhlitz-Ehrenberg b. Leipzig, A. Hermann, Sangerhausen, Weser Bros-Neuyork, Story & Clark-Chicago.

Käferle

Vor einiger Zeit besuchte Herr Tsamourtzis Deutschland und hat in verschiedenen Fabriken, u. a. auch bei Hupfeld, gearbeitet, um seine Kenntnisse im Instrumentenbau zu vertiefen. Allein, wie er gekommen, und erfüllt von neuen Eindrücken und bereichert in theoretischen und praktischen Kenntnissen, verließ der blinde Fachgenosse Deutschland. — Wir wünschen diesem strebsamen, tatkräftigen Manne auch weiterhin den wohlverdienten Erfolg“. (2)

Ehre, Anerkennungen und Bewunderung allen Blinden der Klavierbaubranche

Quellen:
(1) lieveverbeeck
(2) Zeitschrift für Instrumentenbau
(3) Bildquelle: John van Medevoort, Klavierfirma Medevoort, Utrecht, vielen Dank.