Lämmerhirt, Emil und das Stimmschrauben-Jahrzehnt
Pianofabrik in Berlin, 1880 – 1913
Eine Firmenchronik zu Emil Lämmerhirt wäre in Kürze erledigt. Seine Patente bewogen mich nach weiteren Erfindungen und Patenten zu Stimmschrauben, -vorrichtungen zu suchen. Es ist eine kleine, chronologische, vermutlich nicht vollständige Betrachtung der erfinderischen Klavierbauer.
Ein geeignetes Vorwort von 1884 lieferte der Beitrag zur Alibertschen Stimmschraube:
„Seit nahezu einem Jahrhundert ist das Klavier erfunden worden und noch wird es heute gerade so primitiv gestimmt … und die Klavierspieler zu einem Stimmer ihre Zuflucht nehmen müssen. … Herr Alibert hatte seinen Stimmwirbel auf der Pariser Weltausstellung 1878 ausgestellt und denselben 1880 der Union Centrale … vorgelegt, wo er Herrn Wolff von der Firma Pleyel, Wolff & Cie. zu einem … sehr günstigen Bericht veranlasste“. (2)
1876:
Die Firma Mason & Hamtin in Boston hatte 1876 schon ein Patent auf eine Stimm-Construktion.
Aber ebenso teilte J. Becker aus St. Petersburg mit, er war bereits 1876 im Besitz eines Patentes auf die bezeichnete Stimm-Construktion.
1880:
Kurz nach der Firmengründung von Emil Lämmerhirt stellte er 1880 sein erstes Patent Nr. 11549: „Stimmapparat für Saiteninstrumente“ vor.
„Die Vortheile, welche sich der Erfinder durch den schwebenden Stimmstock mit Resonanzbodensteg und den unteren Saitenhaltern erhält, sind folgende: … eine gleichmässigere Klangfarbe, weil keine Stegunterbrechnng vorkommt;
… sicheres Reinstimmen des Pianino’s“. (2)
1881:
folgte von Lämmerhirt das nächste Patent Nr. 17512: „Neuerung an Pianinos“
„Die Ansicht und Durchschnitt zeigt von einem Theil eines Pianino’s mit schwebendem Stimmstock in Verbindung mit dem nach oben verlegten Resonanzbodensteg und neuen Saitenhaltern zur Befestigung der unteren Saitenenden. … Der schwebende Stimmstock besteht aus einer dreifach verleimten Holzplatte. … Das vordere Blech ist so viel breiter, dafs damit der fertige Stimmstock an den Eisenrahmen des Pianino’s durch Schrauben angehängt werden kann“. (1)
1881:
Carl Schumann, Leipzig, Patent Nr. 19355: „Neuerungen an Vorrichtungen zum Regulieren der Saitenspannung an Pianinos“.
„Die gewöhnliche Methode der Saitenbefestigung bei Instrumenten hat den für den Export sehr schwer ins Gewicht fallenden Uebelstand, dafs die hölzernen Stimmstöcke durch den Feuchtigkeitsgehalt und Temperatur Wechsel der Luft ungemein leiden und infolge dessen manche Unzuträglichkeiten im Gefolge haben. Aufserdem ist zum Nachziehen der Saiten eine gewisse Kraftanstrengung nöthig. Diese Uebelstände sollen durch die auf beiliegender Zeichnung dargestellte Anordnung vermieden werden“. (2)
1881:
Augustinus Uhlig aus Pegau, Patent Nr. 14107: „Neuerungen an Flügeln, Klavieren und klavierähnlichen Instrumenten“.
„In Pegau veröffentlichte der Instrumentenmacher Augustinus Uhlig für seinen fertigen Flügel einen ganz eigenthümlichen Saitenhalterapparat. … Die Saiten werden bei diesem Apparat nicht um Stifte oder Stimmnägel gewunden, sondern an Eisenplättchen resp. Pflöckchen befestigt und in schräge Vertiefungen gelegt; auf die Plättchen kommen dann Schrauben zu stehen, vermittelst derselben die Saiten gestimmt werden“. (ZfI)
1884:
Alibertsche Stimmvorrichtung
„Das Haus Pleyel-Wolff ist es, welches zu allererst Klaviere mit Anwendung des Alibert’schen Systems construirte … diese Vorrichtung existiert schon seit 1878, und obschon sie berufen ist, unserer Industrie unermessliche Vortheile zu bringen, ist sie doch noch sehr wenig bekannt und kein Fabrikant hat sie eingeführt. … Die Stimmer werden darin eine große Vereinfachung ihrer mühseligen Arbeit finden und ihr Geschäft wird seine so ermüdende Seite verlieren“. (2) Alibert war ein Ingenieur.
1885:
Emil Lämmerhirt, Patent Nr. 33515 „Schraubenstimmvorrichtung für Pianofortes“
Von Emil Lämmerhirt in Berlin ist 1885 „ein kreuzsaitiges Pianino mit Patent-Schraubenstimmung ausgestellt, das im Discant 4chörig ist. … Das Pianino ist sauber regulirt und preiswürdig, die Stimmnägel-Construction zwar etwas complicirt, aber nicht ungeschickt erdacht, die Schränkung der Saiten jedes Chores eine verschiedene, doch nicht gar zu starke. …
Die Vorteile dieser Schrauben – Stimmvorrichtung sind nach Ansicht des Erfinders:
1. die Vereinigung sämtlicher Saiten eines Chores auf einem festen Gegenstand, der Console;
2. die gleichmäfsige Länge der Saiten vom Steg bis zum Gewindestift in der Console;
3. ein sehr leichtes Reinstimmen der Chöre;
4. die nach 1. und 2. zu folgernde Haltbarkeit der Stimmung, namentlich der einzelnen Chöre in sich“. (1)
1886:
Crasselt & Rähse, Patent Nr. 36654: „ Saitenbefestigung und Stimmvorrichtung für Piano“
„Die Köpfe der Schrauben sind mit durchgehenden Löchern versehen, so dafs man dieselben mittelst eines eingesteckten Stiftes drehen kann. Durch diese Drehung werden die Saiten gespannt und zugleich gestimmt, so dafs man keine weitere Stimmvorrichtung anzubringen hat“.
Im Dezember 1887 verbesserte Crasselt & Rähse sehr praktisch seine neue Stimmvorrichtung.
„Der Erfinder ist nämlich von seiner bisherigen Idee: den aufrecht stehenden Schrauben mit runden und mit Löchern versehenen Köpfen, abgewichen und hat nunmehr Schrauben mit eckigen Köpfen gewählt, die ganz in gewöhnlicher Weise mit dem Schlüssel gedreht werden und selbst dem blinden Stimmer die Ausübung seines Berufes in weit bequemerer Weise als bei der früheren Construction ermöglichen“. (2)
1886:
Wilhelm Fischer, Leipzig, Patent Nr. 40440: „Stimmvorrichtung für Saiteninstrumente“
„Soll die Saite höher gestimmt werden, so wird die Schraube hineingeschraubt, soll dagegen die Saite tiefer gestimmt werden, so wird die Schraube herausgeschraubt“. (1)
1886:
W. Hartmann, Berlin, Patent Nr. 37401: „Stimmvorrichtung für Pianinos und Flügel“
„Alle bisherigen angewandten Stimmvorrichtungen sind bedeutend complicirter Natur und ist in Folge dessen ihre Herstellungsweise nur mit bedeutenden Kosten verknüpft, während die Einfachheit der vorliegenden Anordnung es ermöglicht, dass diese Stimmvorrichtung sogar bei weitem billiger sich stellt, als je eine der vorher erwähnten, selbst der einfachsten“. (2)
1887:
Serbser, & Co., Leipzig, Patent Nr. 38578: „Vorrichtung zum Regulieren der Saitenspannung“
„Auf beiliegender Zeichnung ist eine Spannregulirungseinrichtung dargestellt, welche direct wirkt, d. h. derart, dafs der Zug ohne Zwischenschaltung von Hebelarmen hervorgebracht wird, und bei welcher die Spannvorrichtung mit der Saite nicht in starrem Zusammenhang steht, sondern mit derselben durch in bewegliches Mittelglied … verbunden ist“. (1)
1887:
Carl Schumann, Leipzig, Patent Nr. 40992: „Vorrichtung zum Befestigen der Saiten an den Stimmschrauben bei Pianos mit Schraubenstimmung“
„Kein Holzstimmstock mehr! Dieses Motto könnte man der hier im Modell abgebildeten Schrauben-Stimmvorrichtung mitgeben, denn sie macht jedwede Verwendung des hölzernen Stimmstockes überflüssig. Dann hat diese Vorrichtung noch einen andern sehr ins Gewicht fallenden Vorzug. Während alle bis jetzt erfundenen Vorrichtungen an der Schwierigkeit des Beziehens leiden, fällt diese Frage bei der vorliegenden Construction ganz weg, ja es wird sogar die Möglichkeit gegeben, die Saitenspanner so gleichmässig wie am Schnürchen aufzuziehen“. (2)
1887:
Schiedmayer Pianofortefabrik, vormals J. & P. Schiedmayer, „Verbesserung des Stimmsystems“
„All diejenigen welche auf die Verbesserung unseres Stimmsystems ihr Augenmerk richten, möchten wir auf eine schon vor einigen zwanzig Jahren von uns praktisch hergestellte Stimmvorrichtung aufmerksam machen, welche in der nebenstehenden Zeichnung veranschaulicht ist … Schon seit Jahren ist es das Bestreben vieler Pianofabrikanten, Stimmer … an Stelle des alt hergebrachten Systems des einfachen in Holz eingelassenen Stimmwirbels etwas besseres zu erfinden, was das alte zweckmässig ersetzt, und zugleich das ohnedies nervenangreifende Dasein des Stimmers erleichtert und erträglicher macht“. (2)
1887:
Carl T. Möller, Pianohändler aus Abo, Finnland: „Stimmregulator“.
„Der neuerfundene Stimmregulator von Möller ist nun der einzige, welcher alle die vorher genannten Eigenschaften besitzt, denn
1. er kann mit einem Uhrschlüssel in leichter Weise behandelt werden.
2. Er ersetzt die Schränkleiste, ohne dass die Saite leidet, und erzielt dabei die reinste Stimmung.
3. Er ist von solider Construction und nutzt sich wenig ab.
4. Er lässt sich an jedem Klaviere anbringen, ohne dass irgend welche Vorbereitung nothwendig ist, ausgenommen der notwendige Abstand von 6 cm. zwischen der Anschlagsleiste und der Stimmnagelleiste“. (2)
Carl T. Möller starb 1889.
1891:
Josef Dangl, Wien, Patent-Nr. 61583: „Stimmvorrichtung für Klaviere“.
– Der österreichische Klavierfabrikant Rudolf Wilhelm Kurka aus Wien stellte das Dangl’sche Patent vor –
„Patent-Anspruch:
Eine Stimmvorrichtung für Klaviere, bestehend aus einem mit dem Rahmen aus einem Stück hergestellten Stimmstock mit konischen Löchern in welche zum angenäherten Stimmen der um den Stimmstock herumgeführten Saiten dienende Hülsen gesteckt sind, durch welche die zum genauen Stimmen der Saiten bestimmten, unten mit Haken oben mit Gewinden versehenen und durch je eine Mutter bethätigten Bolzen hin durch gehen“. (1)
Josef Dangl, Wien, war nach den Wiener Adressbüchern, von Beruf Formstecher.
Wie weiter mit Emil Lämmerhirt?
„Als Inhaber der Firma Emil Laemmerhirt, Pianofortefabrik in Berlin, wurden 1913 die Pianofortefabrikanten Johannes Engel und Ernst Koch eingetragen. Die Gesellschaft hat am 1. März 1913 begonnen. Der Übergang der in dem Betriebe des Geschäfts begründeten Forderungen und Verbindlichkeiten auf die Gesellschaft ist ausgeschlossen“. (2)
In den Berliner Branchenbüchern war Emil Lämmerhirt bis 1927 angezeigt. Mit gleicher Anschrift auch Koch & Engel, bis 1937.
„1934 sind zwei Koch-Söhne in der Firma tätig, der Teilhaber Engel wird nicht mehr erwähnt. Ernst Koch stirbt am 10. Nov. 1935“. (Henkel)
Quellen
(1) Deutsches Patent- und Markenamt
(2) Zeitschrift für Instrumentenbau