Schiller, Johannes
Pianofabrik in Berlin, 1884 – 1991
Johannes Schiller wurde am 8. Nov. 1854 in Passenheim in Ostpreußen geboren, als Nachkömmling einer kinderreichen Familie des Tischlermeisters Johann Schiller. Der Vater verstarb, als Johannes Schiller noch nicht erwachsen war. Ein kleines Wohnhaus war das einzige Vermögen der Familie. Die Mutter, äußerst fleißig und sparsam, konnte den Sohn, „der eine große Neigung zur Theologie hatte“, nicht studieren lassen. Er verließ mit 14 Jahren das Gymnasium und ging in Passenheim zu einem Tischlermeister in die Lehre. Lehrzeit, harte Zeit. Zusätzlich hart, weil seine Mutter auch verstarb. „Als er sich bei äußerstem Fleiße einige hundert Mark gespart hatte, kehrte er seiner Heimatstadt den Rücken und zog als junger Tischler nach Berlin.“ Vorübergehend war er auch in Düsseldorf und Hannover, „bis er wieder durch einen Zufall bei der Firma Hartmann, Pianofabrik in Berlin, anfangs der 70er Jahre Stellung fand“. Dort erwarb er sich gründliche Kenntnisse im Klavierbau. Durch seine Begabung hatte er bald eine Sonderstellung und wurde mit den schwierigsten Arbeiten beauftragt. 1880 baute er in seiner Wohnung sein erstes Klavier – kann man sich so was vorstellen? Ein Freund bezahlte ihm dafür sofort 800 M. Dadurch beflügelt, baute er weitere Instrumente, „gab am 1. Okt. 1884 seine Stellung auf und meldete sein Gewerbe an als Pianobauer in einer kleinen Werkstatt in der Skalitzer Straße“. Der Raum wurde ihm zu eng, er beschäftigte einige Arbeiter und zog in größere Räume in die Große Hamburger Straße um. Jährlich konnte er mehrere „Dutzend Pianos und auch schon einige Flügel“ im Jahr herstellen. Aber auch diese Räumlichkeiten wurden ihm zu klein und er erwarb in der Nachbarschaft, in der Joachimstraße 11, ein Fabrikgrundstück. Aber erst 1900 erfolgte die handelsgerichtliche Eintragung. Schiller knüpfte Exportverbindungen in viele Weltteile, seine Instrumente wurden bekannt und beliebt. Aber auch hier erwiesen sich die Räumlichkeiten mit der Zeit zu klein. 1904 begann „der Neubau eines großzügig angelegten Sägewerks mit Holzbearbeitungsfabrik, hauptsächlich für den Rohbau von Pianos und Flügeln“. Das ganze Unternehmen wuchs, auch durch die Mitarbeit der Söhne. Es wurden 150 Arbeiter beschäftigt und durchschnittlich 1500 bis 2000 Instrumente jährlich hergestellt.
Die Situation des Weltkrieges führte dazu, dass die „Exportverbindungen in viele Weltteile“ nun in feindliche Verbindungen umgewandelt wurden, die Außenstände blieben „uneinbringbar“. Die Produktion wurde zurückgefahren und zugunsten der „Kriegslieferung“ umgestellt. Viele Arbeiter kämpften für Volk und Vaterland und nur noch wenige ältere Arbeiter blieben in der Fabrik.
Schillers vier Söhne arbeiteten in der Firma mit. Sie übernahmen die „Oberleitung“, nachdem Johannes Schiller einen Unfall erlitt, der ihn zur Abgabe zwang. „Doch wurde er stets bei ernsten geschäftlichen Fragen um Rat gebeten, was ihm eine besondere Genugtuung war […]
Seine schlichte Einfachheit in seinen Lebensgewohnheiten zeigte am deutlichsten, wie sehr er an der Arbeit hing, und daß ihn seine Erfolge nicht hochmütig machten […] Noch vor einigen Tagen rief er seine vier Söhne zusammen und wünschte ihnen, in seinem Sinne weiter zu arbeiten und zu leben.“ Am 10. September 1927 starb Johannes Schiller. „Die Firma J. Schiller Piano- und Flügelfabrik wird in seinem Sinne und nach seinen Richtlinien von seinen vier Söhnen weitergeführt werden.“
Die folgende Zeit beschreibt H. Henkel im „Lexikon Deutscher Klavierbauer“:
„Zum 1. April 1919 treten die Söhne Ernst, Alfred, Willy und Johannes jun. als Teilhaber ein, doch bleibt der Vater allein vertretungsberechtigt (die Söhne nur je zu zweit). 1925 wird die Firma beschuldigt, an ‚Auch-Händler und Privaten’ zu liefern. 1926 werden auch pneumatische Reproduktionspianinos hergestellt, ab 1929 auch Möbel. Als Folge der Weltwirtschaftskrise stellt die Firma die Produktion eigener Klaviere weitgehend ein, fertigt aber 1934 als damals größte Spezialfabrik Deutschlands bezogene Rasten, Umhaue, Klaviaturen, Mechaniken, Rahmen, Konsolen, Klappen, Resonanzböden, Stimmstöcke und andere Teile für fremde Firmen.“
1934 wurde das 50-jährige Bestehen der Firma gefeiert.
Im Handelsregister erfolgte 1936 die Eintragung, dass „Alfred Schiller aus der Gesellschaft ausgeschieden“ ist.
Ernst Schiller, der Seniorenchef des „bekannten Berliner Klavierunternehmens“, starb 1954.
Bericht von der Leipziger Herbstmesse 1956:
„Die DDR war weiterhin […] vertreten […] Erstmalig seit dem letzten Weltkrieg war auch die Firma J. Schiller, Berlin, wieder vertreten, und zwar mit 3 Kleinklavieren, 1,08 m hoch in nussbaum-streifig und in Eiche.“
1958, zur Leipziger Frühjahrsmesse, stellte Schiller 4 Kleinklaviere, wieder 1,08 m hoch, „in geschmackvollen Formen und Farben“ aus.
Im gleichen Jahr zur Leipziger Herbstmesse: „J. Schiller, Berlin, hat bei seinen Kleinklavieren in allen Holzarten das Spezialmodell ‚Liliput’, 1,08 m, entwickelt.“
„Ab 1977 wird die Marke vom damaligen VEB Pianofortefabrik Sangerhausen hergestellt.“ (H. Henkel) Im „Altlas der Pianonummern“ (Jan Großbach) werden die Nummern (Nr. 76789) bis 1991 angeführt.