Stichel, Ferdinand
Pianofabrik in Leipzig, gegr. 1877
„Es war einmal ein Vater, der hatte drei Söhne“, so der Titel eines japanischen Filmdramas aus dem Jahr 1942.
In Leipzig war einmal ein Vater, der hatte drei Söhne. Kein Film, aber ein Drama.
Ferdinand Stichel, der Vater, wurde 1850 in Eilenburg als Sohn eines in der dortigen Eisengießerei beschäftigten Arbeiters geboren. 1865 begann er seine vierjährige Ausbildung bei einem Tischlermeister in Eilenburg. Als Gehilfe war er bei verschiedenen Tischlermeistern in Leipzig tätig, bis er schließlich in die Mechaniken-Fabrik von Morgenstern & Kotrade in Leipzig eintrat. Von dort ging er zu Blüthner zur „weiteren Ausbildung und Vervollkommnung im Klavierbau. Hier blieb er auch bis zu seiner Selbstständigmachung im Jahre 1877“. Vermutlich starb er 1942 hochbetagt.
Alfred Felix Stichel, der älteste Sohn, wurde am 26. Juli 1880 geboren. Er lernte im väterlichen Betrieb und ging dann nach Amerika. Besonders interessierte er sich für die Fabrikation pneumatischer Klavierspielapparate. Mit Hilfe seiner Kenntnisse richtete er eine eigene Fabrikation des Kunstspielapparates „Claviola“ in der Zweigfabrik in Zwenkau bei Leipzig ein.
Otto Franz Stichel, der zweite Sohn, wurde am 26. April 1882 geboren. Er lernte im väterlichen Betrieb den Klavierbau, ging aber dann in die Schweiz und nach Frankreich um sich zu vervollkommnen. Nach seiner Militärzeit arbeitete er mit seinem älteren Bruder Felix im väterlichen Betrieb.
„Ferdinand Stichel, dessen Wunsch und Hoffen es war, sein Lebenswerk einst in die Hände dreier Söhne, die er sich zu bewährten Mitarbeitern erzogen hatte, legen und sich in die Stille zurückziehen zu können, [musste] das Geschäft nun mit seinem ihm noch gebliebenen einzigen Sohne Paul Stichel […] in unveränderter Weise fortführen“.
1913 wurde im Firmenregister der Firma F. Stichel, Leipzig, die neu errichtete OHG eingetragen: „[…] Pianofortefabrikanten Otto Franz Stichel in Leipzig und Paul Ferdinand Stichel in Zwenkau“.
Die Firma und ihre Instrumente:
„Ferdinand Stichel [gründete] die Werkstatt am 9. April 1877 zusammen mit seinem Schwager Friedrich Wagen zum Bau von Pianinos in Leipzig, Floßplatz 29.
Sechs Jahre nach der Gründung wurde bereits die Herstellung des 500. Instrumentes.
1890 feierte die Pianofabrik die Fertigstellung des 1500. Instrumentes.
Die Preisliste von 1903 verzeichnete zehn Modelle von „Salon-, Kolonial- und Kabinett-Pianinos“ von 134 bis 141 cm Höhe. Im selben Jahr wurde die Fabrikationsnummer 4000 überschritten.
„Ab Okt. 1904 [baute] die Firma das pneumatische Reproduktionspianino und einen pneumatischen Vorsetzer unter dem Namen Claviola“ (Henkel).
Im Vorbericht zur Leipziger Herbstmesse 1905 wurde ein „ganz [billiger] Klavierkunstspielapparat“, der trotz seiner Billigkeit mit 4 Hebel: Tempo-, Nuancierungs-, Pedal- und Rückroll-Hebel ausgestattet ist und der mit 420 M zu verkaufen ist, annonciert.
Zur Herbstmesse 1924 stellte die Firma „ihre Pianos und Einbau-Tretpianos Marke `Claviola` zusammen mit der Künstlernotenrollenfabrik Felix Schüller – Dresden“ aus.
Im März 1931 wurde die Gesellschaft aufgelöst, als Alleininhaber führte Paul Ferdinand Stichel das „Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma“ fort.
Zur Herbstmesse 1932 wurde neben altbewährten Modellen ein neues kleines Modell L 128 cm hoch vorgestellt.
1935 inserierte die Firma Stichel und pries ihre „erstklassigen, tonedlen Pianos, mittlerer Preislage“ an.
Die Produktionszahl 10.000 könnte erreicht worden sein, Nachweise darüber sind mir nicht bekannt.