Brinkmann & Goebel
Pianofabrik, Minden, (1879) 1922 – 1964
Der Name Brinkmann wurde erstmalig 1879 erwähnt, danach kam es aus verschiedenen Gründen zu mehreren Namensänderungen.
Die Pianohandlung und -fabrik
„Die Stammfirma der Brinkmann-Firmen in Minden, Kampstraße 20, wird am 8. Aug. 1879 als Handlung mit Reparaturwerkstatt gegründet. Um 1887 wird eine kleine Fabrik angeschlossen, in der eigene Pianinos produziert werden. Zwischen Jahresmitte 1893 und Mai 1896 wird die Firma in Brinkmann & Bevernitz geändert. Die OHG löst sich am 6. Juli 1900 wieder auf, Franz Brinkmann führt das Geschäft, das am gleichen Tage handelsgerichtlich eingetragen wird, wieder unter eigenem Namen. Am 9. Juli 1906 wird diese Firma gelöscht und gleichzeitig die neue Firma ‚Emilie Brinkmann, vorm. Franz Brinkmann‘ eingetragen, lnhaberin ist die Ehefrau Emilie Brinkmann, Franz Brinkmann erhält Prokura“. (2)
1912, Erneute Änderung in: Brinkmann & Sohn, Inhaber seit 1914 Walter Brinkmann.
„Der Sohn Walter ist bereits in der Firma tätig, die noch bis zur Gründung der Nachfolgefirma Brinkmann & Goebel am 1. Okt.1922 nachweisbar ist“. (2)
1912, Erneute Änderung in: Brinkmann & Sohn, Inhaber seit 1914 Walter Brinkmann.
Josef Goebel
„Josef Goebel, Verfasser des Lehrbuchs ‚Grundzüge des modernen Pianofortebaus‘, das mehrere Auflagen erlebt, war ein Sohn des Pianofortefabrikanten Wilhelm Goebel in Stuttgart, geboren 1885 in Koblenz“. (2)
„Nachdem Goebel das Klaviermacherhandwerk in den Betrieben Heinr. Knauß Söhne und Carl Mand … in Coblenz erlernt hatte, verließ er seine Heimatstadt lediglich, um erweiterte Gesichtspunkte zu gewinnen sowie seine Fähigkeiten einer geeigneten Entwicklung zu unterziehen. So nahm der damals Zwanzigjährige in den verschiedensten Provinzfirmen systematisch die einzelnen Sparten des Flügel- und Pianobaues durch. Von Leipzig aus — hier erfuhr der Entwicklungsgang des rastlos Vorwärtsstrebenden durch das Haus Julius Feurich die denkbar beste Beeinflussung — ging er nach Berlin. Die Metropole an der Spree war damals ein beliebtes Ziel strebsamer Klaviermacher. Die Fachschule für Klavierbau stand nämlich zu dieser Zeit in voller Blüte. So sehen wir den Lernbegierigen am Tage als Intoneur im Hause C. Bechstein, während er in seinen Mußestunden die Schulbank der Fachschule für Klavierbau drückt. Darüber hinaus hospitierte Goebel an den verschiedensten Hochschulen. Kein Wunder, daß er bald in fachwissenschaftlicher Hinsicht die Lehrkräfte an der Fachschule überflügelte und Aufsehen in den Augen der Schulleitung erregte!
Daraufhin ging der Fachbeflissene zur Mechanikbranche über, um sich auch dieses, im Hinblick auf die Spielart so bedeutsame Spezialgebiet zu erschließen. In anerkennenswert – entgegenkommender Weise fand er in der Mechanikenfabrik von F. Langer & Co. in Berlin Gelegenheit, nicht nur sein technisches Wissen zu vertiefen, sondern sich auch kaufmännisch zu betätigen. Nachdem der Strebsame sich mit der Technik der Piano- und Flügelmechanik zur Genüge vertraut gemacht hatte, führte ihn der Weg für dieses Haus fast über ganz Europa.
Nach dem Ersten Weltkrieg setzte eine die produktivsten Epochen im Leben dieses intelligenten Fachmannes ein. …
Seine Hauptbasis für Konstruktionen und Modelle war Thale a. Harz, wo er ein gastliches Haus unterhielt, in dem die Koryphäen des Klavierbaues zu verkehren pflegten. Kein Geringerer als der heimgegangene deutsch-amerikanische Großindustrielle Alfred Dolge hat hier mit seiner treuen Lebensgefährtin unvergeßliche Stunden verlebt“. (1)
Hat Josef Goebel erfahren, dass der Vater von Alfred Dolge, August Dolge in der Strafanstalt in Waldheim von 1848 bis 1853 Klaviere gebaut hat? „Das erste Klavier, das Dolge in Waldheim baute, erhielt der Verlagsbuchhändler Ernst Keil in Leipzig, der bekannte Gründer und Herausgeber der ‚Gartenlaube‘, der zu den politischen Freunden Dolge’s zählte“. (1)
„Das größte Aufsehen in Fachkreisen hat Goebel jedoch mit der Herausgabe seines Buches: ‚Grundzüge des modernen Klavierbaues‘ erregt, veröffentlicht vom ‚Verlag Dt. Instrumentenbau-Zeitung‘, 1921, mit 240 Seiten.
Der Wert des Buches ist ein solcher, daß die 1. Auflage bereits in 3/4 Jahren vergriffen war, ein Faktum, das bisher unerreicht in unserer Fachliteratur dasteht.
In Alexisbad im Harz wurde der Verfasser durch Alfred Dolge zur Herausgabe einer zweiten Auflage ermutigt, die inzwischen bereits erschienen, sehr nachgefragt und binnen kurzem vergriffen sein dürfte.
Der jeweilige Wirkungskreis des hervorragenden Fachmannes scheint von langer Hand vorbereitet: er lieferte nämlich seinerzeit die Modelle für die Firma Brinkmann in Minden, so daß die Fabrikation auf diese Weise einen tüchtigen Vorsprung erhalten hat. In diesem Zusammenhang mag noch Erwähnung finden, daß das Haus Brinkmann bereits seit 1879 die Pianofortefabrikation betrieben hat, welche jedoch später durch den zeitweilig lukrativer gewordenen Klavierhandel ins Hintertreffen geriet“. (1)
Das Resonanzbodensystem – Dr. Moser – Josef Goebel
Dr. Moser schrieb 1899 in einem Artikel über das neue Resonanzboden-System:
„In der Konstruktion geht das neue Resonanz-System auf den doppelten, kreuzweise verleimten Boden zurück. Der herkömmliche einfache, berippte Boden bietet nach Ansicht von Dr. Moser weder die durch die besonderen akustischen Eigenschaften der Gußstahlsaite geforderte hinreichend große Holzmasse, noch jenes Maß von Elasticität, das zur möglichst vollkommenen Aufnahme und Wiedergabe der Saitenschwingungen nothwendig ist. Fehlt doch dem alten Boden die Homogenität des Stoffes und die Trennung seiner akustisch wirksamen von den todten, d. h. den aufgeleimten Theilen. Der neue Boden wird deshalb in der vollen Endstärke aufgeleimt, nicht wie seither verschwächt; vielmehr erhält er beiderseitig eine Nuth, die nur wenige mm Holz stehen läßt“. (1)
Ein von vielen Entgegnungen ein Jahr später:
„Die in ihrer Art noch nie dagewesene Reklame, die seit geraumer Zeit für eine angeblich bahnbrechende Erfindung auf dem Gebiete des Pianofortebaues — bekannt unter dem Namen ‚Moser’scher Doppelresonanzboden‘ — getrieben wird, hat in den Kreisen des großen Publikums zu schiefen Ansichten und Vorurtheilen geführt“. (1)
Josef Goebel äußerte sich dazu viele Jahre später, 1930:
„Das vorstehende Thema wurde von mir bereits lange in den Spalten dieser Zeitschrift behandelt, und zwar in dem Artikel: ‚Resonanz- und Resonanzbodensysteme im Klavierbau‘. Wenn ich nun heute wiederum Stellung zu dieser Frage nehme, so geschieht es deshalb, weil angeblich ‚umwälzende Reformen‘ auf diesem Gebiete dazu herausfordern. … Weit mehr als hundert Jahre hat sich das Gebiet der Resonanz im Klavierbau nachgerade als eine recht unfruchtbare Domäne erwiesen. Selbst die gewiegtesten Spekulanten mußten hier ihre Hoffnungen zu Grabe tragen wenngleich ihre Versuche gar oft einen interessanten Glorienschein aufweisen. Der zweifellos größte Charlatan der Resonanz im Klavierbau war Moser, der mit seinem ‚Doppelresonanzboden‘ dermal einst lange die Gemüter der älteren Fachwelt beunruhigt hat. Und manche ernst zu nehmende Firma glaubte den Rummel mitmachen zu müssen, nicht zuletzt, weil sich ähnliche Resultate als mit dem normalen Resonanzboden damit erzielen ließen. Aber die mit großem Tam-Tam verkündigte ‚große Verbesserung‘ blieb aus, so daß man auf der ganzen Linie reuevoll zu dem alten, aber bewährten Resonanzboden und seinen Elementen zurückkehrte. Diejenigen, welche ihr Geld in die Sache gesteckt hatten, blieben die Leidtragenden und wurden obendrein noch ausgelacht. So ist der normale Resonanzboden mit seiner Berippung und geometrisch verlaufendem Steg in den Instrumenten der ernst zu nehmenden Firmen bis auf den heutigen Tag geblieben. Am allerwenigsten haben unsere Spitzenfirmen bisher Veranlassung gesehen, auch nur in irgend einem Punkte von dem mehr als ein Jahrhundert bewährten System abzugehen“. (3)
Die Pianofabrik Brinkmann & Goebel
„Die OHG wird am 1.Okt. 1922 durch Eintritt von Josef Goebel in die Firma Emilie Brinkmann, vorm. Franz Brinkmann, gegründet, Gesellschafter sind der Inhaber der bisherigen Firma, Pianofortefabrikant Walter Brinkmann, und Pianofortefabrikant Josef Goebel“. (2) 1923 scheidet Josef Goebel aus, die Firma behält aber den 1922 angenommenen Namen bei. Josef Goebel machte „sich nach seinem Austritt aus der OHG 1923 als Konstrukteur und Modellbauer in Wernigerode, dann in Thale, ab Okt. 1953 in Bad Harzburg selbständig. Er stirbt am 2. Sept. 1954“ (2)
Das Handelswappen der Pianofabrik (1923)
Selten ist eine ausführliche Erklärung zum Handelswappen in den ZfI’s zu finden.
„Wie die Staaten den Ausdruck ihrer Hoheitsrechte in ein Zeichen legen, wie einstmals die alten Adelsfamilien das Bevorzugte ihrer Stellung durch ein Wappen ausdrückten, so vermag heute der Hersteller guter Waren deren Besonderheit und Einzigkeit durch ein Handelswappen zu betonen, das auf allen seinen Erzeugnissen und Geschäftsempfehlungen wiederkehrt. … Je mehr nun ein Handelswappen sinnbildlichen Charakter aufweist, um so unauslöschlicher vermag es sich dem Beschauer einzuprägen. … Das besonders charakteristische Handelswappen — das auch ins Warenzeichen-Register eingetragen ist — führt die Firma die Besonderheit, dass sich Kennwort und Zeichen hier die Hände in glücklichem Gelingen reichen. Während weiterhin der Buchstabe ‚G‘ die Autorität des Konstrukteurs symbolisiert, bezeichnen die Noten die Anfangsbuchstaben der Familiennamen beider Firmeninhaber. Nach Meinung eines maßgebenden Patentanwaltes zählt dieses, von Herrn J. Goebel entworfene Handelswappen, mit zu den markantesten auf dem Gebiete der Warenzeichen-Praxis“. (1)
Die Firma Brinkmann & Goebel eröffnete 1927 in Minden i. W. eine Fabrikniederlage: Gr. Aegidienstraße 3 (nahe Georgsplatz).
1929 konnte die Pianofabrik Brinkmann & Goebel auf 50 Jahre ihres Bestehen zurückblicken.
„… Die Firma hat neuerdings ein Piano mit Flügelklangkörper herausgebracht, dass — ebenso wie der 150 cm lange Flügel — konstruktiv und tonlich eine Höchstleistung darstellt. So sind Brinkmann & Goebel’sche Klaviere in weiten Kreisen des In- und Auslandes als Produkte sorgsamster fachmännischer Arbeit bekannt geworden. Die neuen Konstruktionen der Firma stammen von dem … bekannten Pianokonstrukteur J. Goebel … Erwähnt sei noch, daß die Firma … seit langen Jahren Vertreter erster Firmen der Branche ist, wie Ibach, Steinway, Seiler, Th. Mannborg, Hörügel u. a.“. (1)
Modelle für Flügel und Pianinos
… Auszug aus dem Jahre 1924:
„Modelle für Flügel und Pianinos insbesondere aber die dazu gehörigen Teilungen, bilden eine ausgesprochene Vertrauenssache. Nur dann, wenn die Erfahrungen des Gießereitechnikers mit der Autorität des Konstrukteurs Hand in Hand gehen, dürfte diese Voraussetzung voll und ganz Erfüllung finden. Herr J. Goebel hat mit der Firma Albrecht & Fiedler in Brandenburg (Havel) ein Abkommen getroffen, wonach diese Modelltischlerei nach Maßgabe seiner Konstruktionen die Gußmodelle für den Eisenrahmen liefert. Die Herren Albrecht & Fiedler sind langjährige Modellmacher, bzw. Ingenieure der Elisabethhütte gewesen, so daß der gesamten Klavierindustrie nunmehr eine Institution ist, die alle langwierigen und kostspieligen Versuche nachgerade erübrigen lassen dürfte“. (1)
Das Deutsche-Reichs-Patent Nr. 500260
Auszug aus dem 1930 erteilten Patentanspruch:
„Klavier mit Stimmstock und flügelförmigem Resonanzboden, dadurch gekennzeichnet, daß ein in seiner Form dem Resonanzboden eines Flügels vollständig entsprechender Resonanzboden, mit seiner Flügelspitze nach unten zeigend und mit seinem Bruststück nach oben zeigend, derart in dem Klavier angeordnet ist, daß zwischen dem Bruststück und dem Stimmstock ein bei Klavieren ohne flügelförmigen Resonanzboden bekannter freier keilförmiger Zwischenraum verbleibt und die Zarge des Resonanzbodens sich bis in den Bereich des Stimmstockes erstreckt“. (2)
1943 wurde die Produktion zunächst kriegsbedingt eingestellt.
„Die Firma übersteht die Weltwirtschaftskrise und den Zweiten Weltkrieg und produziert nach 1945 Kleinpianinos, sie zeigt auf den Musikmessen Düsseldorf 1951 und 1952 ein Pianino 115“. (2)
Ende der Firma gegen 1960, bis dahin wurden ca. 6100 Instrumente hergestellt.
Quellen:
(1) Zeitschrift für Instrumentenbau
(2) Henkel
(3) Deutsche-Instrumentenbau-Zeitschrift