Werner, Friedrich Wilhelm
Pianofabrik in Döbeln/Sa., 1845 – 1912
Zwischen Leipzig und Dresden liegt die Kreisstadt Döbeln. In ihr befand sich die Pianofabrik „F. W. Werner“. Noch heute ist das Gebäude, mit Inschrift, in der Nähe des Zentrums von Döbeln zu finden.
F. W. Werner wurde am 18. Februar 1819 in dem kleinen Dorfe Heyda bei Döbeln als Kind „schlichter Eltern“ geboren. Als Schuljunge zeigte er großes Interesse für die Musik, „doch konnte er seinem Herzenswunsche, das Klavierspiel zu erlernen, nicht folgen, da seine Eltern sich in ganz bescheidenen Lebensverhältnissen befanden und um das tägliche Brot arbeiten mußten. Sein Verlangen dagegen, wenigstens nach der Schulzeit aus den kleinlichen, engen Verhältnissen seines Heimathdorfes herauszukommen, ging in Erfüllung, da es ihm ermöglicht wurde, das Tischlerhandwerk bei einem tüchtigen Meister in Döbeln zu erlernen.“
Nach der Lehrzeit ging er nach Dresden und fand Gelegenheit, in einer Pianofortefabrik als Gehilfe zu arbeiten. „Mit all seinen Kräften wandte er sich seinem neuen Kunstberufe zu, jede Stunde und Gelegenheit benutzte er, sich in den Pianofortebau einzuarbeiten und in allen Theilen desselben zu vervollkommnen.“
1845 kehrte er nach Döbeln zurück und errichtete mit bescheidenen Mitteln und unter den schwierigsten Verhältnissen eine kleine Klavierbau-Werkstatt. Nach vielen Mühen war es ihm in den 50-er Jahren vergönnt, eine größere Pianofortefabrik in seinem eigenen Grundstücke am Niedermarkt in Döbeln zu errichten. Werner war bemüht, „immer nur die besten und solidesten Instrumente zu bauen. Seine Fabrikate wurden auch in Anerkennung ihrer Vorzüglichkeit wiederholt prämiert.“ Sein guter Ruf sicherte sich in der Döbelner Gegend, aber auch im übrigen Sachsen „eine treue und gute Kundschaft. … Ja sogar überseeische Geschäfte konnte er ausführen, und Werner’sche Instrumente haben ihren Weg nach Südamerika gefunden.“
„Döbeln: Besonders bemerkenswerth ausser den in obigen Aufsaße schon bezeichneten Arbeiten, waren noch ein Pianoforte vom Instrumentmacher Werner alhier, englischer Konstruktion und allen Anfordrungen genügend, welche man an ein tafelförmiges Instrument machen kann. Im Innern und Aeußern war es solid und kunstvoll gearbeitet, mit starkem Anschlage und einem Tone, dessen Charakter kräftig und gesangreich genannt zu werden verdient. Im Piano war der Diskant den feinsten Silberglöckchen gleich. (Preis 195 Thlr.)” Auszug aus “ Deutsche Gewerbezeitung und Sächsisches Gewerbe-Blatt” von 1849 (lieveverbeeck)
„Die Forte-Piano-Fabrik von W. Werner & Comp. in Döbeln empfiehlt eine Auswahl vorzüglicher Fortepiano’s, für deren Güte sicher garantirt wird, zu verschiedenen und möglichst billigen Preisen !!“ Leiziger Zeitung von 1850 (1)
„E. W. Werner in Döbeln, Katalog-Nr. 1158, hat ein kreuzsaitiges und zwei geradsaitige Pianinos in Palisander, beide preiswürdige Instrumente“. Officieller Bericht über die sächsische Gewerbe- und Industrieausstellung zu Dresden, 1875 (1)
1885, zur Ausstellung in Görlitz erhielt die Firma eine Bronzene Medaille
Seine drei Söhne wurden ihm frühzeitig durch den Tod von der Seite gerissen, seine Töchter verheirateten sich „anderweit“. Werner verkaufte die Pianofortefabrik im Jahre 1880 an einen tüchtigen Kaufmann Herrn Johannes Evert aus Dresden. Dieser führte die Fabrikation in der altbewährten soliden Weise fort. 1891 wurde der große Neubau an der damaligen Königsstraße (heute Friedensstraße) bezogen. Die Räume waren bereits mit Zentralheizung und Fahrstuhl ausgestattet. Fertige Klaviere wurden im „Musiksaal“ zum Verkauf angeboten. Neben „F. W. Werner“ – Instrumenten wurden auch Klaviere anderer Hersteller angeboten, z. B. Bechstein, Berlin.
1893, Das Reichs-Patent Nr. 66 168 von Johannes Evert in F. W. Werner in Döbeln
„In letzter Zeit hat sich der Erfindungsgeist unserer Instrumentenmacher viel mit der Verbesserung des Resonanzbodens beschäftigt, sei es nun, daß man die Widerstandsfähigkeit und die Spannung, sei es, daß man die Schwingungsfähigkeit desselben durch geeignete Mittel zu erhöhen suchte. Zu den neuesten Erfindungen auf diesem Gebiete gehört die des Herrn Johannes Everth, … der auf eine Spann-Vorrichtung an Resonanzböden das Deutsche Reichs-Patent No. 66 168 erhielt.
Die Erfindung besteht darin, daß der Resonanzboden an verschiedenen Stellen mit Einrichtungen versehen ist, mittelst welcher eine Spannungs-Veränderung herbeigeführt werden kann. …
Durch diese Vorrichtung, welche sich an Resonanzböden für die verschiedensten klavierartigen Instrumente anbringen läßt, soll ein dauernd voller, gesangreicher, langanhaltender Ton erzielt werden.
Der Patent-Anspruch lautet: Spann-Vorrichtung an Resonanzböden, dadurch gekennzeichnet, daß hinter dem Resonanzboden eine Leiste angebracht ist, in welcher sich Stellschrauben befinden, durch welche der Resonanzboden unter Vermittlung von Schraubenfedern gespannt werden kann. Herr Everth beabsichtigt, an Fabrikanten, die diese Spann-Vorrichtung an ihren Instrumenten anbringen wollen, Licenzen abzugeben, und wolle man sich deshalb mit ihm in Verbindung setzen“.
1893, ein Artikel unter „Sprechsaal“ zur Spannvorrichtung am Resonanzboden:
„In Nr. 15 … finde ich die Beschreibung des D. R.-P. No. 66168 … als dessen Erfinder Herr Johannes Everth … bezeichnet ist. Ich fühle mich veranlaßt, hierauf zu erwidern, daß Herr Everth zwar Inhaber des Patentes ist, der Erfinder aber ich, Unterzeichneter, bin. Da ich zur Zeit, als ich eine praktische Verwirklichung meiner, mir schon lange vorschwebenden Idee erfand in der Fabrik des Herrn Everth als Ausarbeiter und Stimmer thätig war, so stand ihm freilich nach dem Deutschen Reichs-Patentgesetz das Recht zu, diese Erfindung für sich zu beanspruchen, wovon Herr Everth auch den umfassendsten Gebrauch gemacht hat, dennoch glaube ich nicht, dafs Herrn Everth damit zugleich das Recht zusteht, sich als Erfinder auszugeben oder ausgeben zu lassen. …
Weimar, den 27. Febr. 1893. Arthur Noch. …
Anmerkung der Redaktion.
Zu der vorstehenden Erwiderung giebt uns Herr Everth, in Firma F. W. Werner, auf unsere Anfrage folgende Auskunft.
Werthe Redaktion!
Herr Noch, welcher in meiner Fabrik als Stimmer und Ausarbeiter thätig war, theilte mir eines Tages die in Rede stehende, nunmehr patentirte Idee mit, welche ich sofort für gut befand, da ich mich mit einem ganz ähnlichen Gedanken schon seit Jahren herumgetragen hatte. Einem Wunsche des Herrn Noch zufolge haben wir hierauf gemeinschaftlich an der praktischen Ausführung dieses Gedankens gearbeitet, und Herr Noch hat mich förmlich dazu gedrängt, daß ich mit der Patentanmeldung ja nicht zögern möge, damit nicht etwa ein Anderer zuvorkäme. Ich habe diesem Drängen nachgegeben und die Sache also im Einverständniß des Herrn noch mit gutem Gewissen und mit gutem Recht auf meinen Namen und auf meine Kosten angemeldet. Herr Noch hat irgendwelche Wünsche oder Bedingungen in dieser Angelegenheit vor und bei der Anmeldung zum Patente mir gegenüber niemals geäußert, er hat auch während der gesetzlichen Auslegefrist keinen Einspruch erhoben, so daß ich eigentlich sein sonderbares Auftreten post festum nicht verstehe, umsoweniger, als das Verhältniß zwischen uns Beiden ein nichts weniger als feindseliges gewesen ist.
Döbeln, den 1. März 1893. F. W. Werner“.
1893, „Ausstellung von Wohnungseinrichtungen im Gewerbehaus zu Dresden und die Betheiligung der Instrumenten-Industrie“.
Ausgestellt war ein Nußbaum-Pianino, „ … blank und matt, im Stile der deutschen Renaissance und von schönem weichen Tone, …, deßgleichen einen Flügel. Der letztere ist schwarz und mit gravirten matten Rococo-Ornamenten versehen. Wenn auch diese Verzierungen nicht ganz zur Architektur, die mehr der Renaissance zuneigt, passen, so könnte doch darüber leicht hinweggegangen werden, wenn nur diese Rococo-Ornamente selbst, dem Stile entsprechend, etwas flotter entworfen und ausgeführt worden wären. Das ist auch an der vorderen Seite des Deckels zu bemerken, wo dieses Ornament nicht leicht und graziös genug behandelt worden ist. … Doch das war nur nebenbei über eine stilistische Einzelheit gesagt. Im übrigen war dieser Flügel musterhaft gearbeitet und von sehr schönem Tone. …
In der speziell Döbelner Halle werden unsere Blicke gefesselt durch die geschmackvolle Ausstellung der Pianoforte-Fabrik von F. W. Werner. Die Gegenstände — drei Pianinos in Schwarz und vier in Nußbaum — sind nicht etwa sogenannte Ausstellung-Instrumente, sondern solche, wie wir sie stets im Magazin dieser Firma gesehen haben. Wir können dies vom praktischen Standpunkte aus nur mit Freude begrüßen. Die Ausstattung ist durchweg elegant, wenngleich das eine schwarze Piano durch seine Gravirungen mit bunter Malerei etwas zu überladen erscheint. Die Arbeit an jedem Stück ist innen und außen tadellos. Ein voller, sonorer Ton bewährt den guten Ruf der nun 48 Jahre bestehenden Firma aufs Neue. … Auch die an sämmtlichen Werner’schen Instrumenten angebrachte, patentirte Spann-Vorrichtung an den Resonanzböden, wodurch die Schwingungsfähigkeit des Bodens bedeutend erhöht wird, erregte die Aufmerksamkeit“.
1894 zur Internationalen Nahrungsmittel-, Gewerbe- und Sport-Ausstellung in Dresden erhielt die Firma eine Goldne Medaille für ihre Instrumente.
Anfang des Jahres 1895 feierte die Pianofortefabrik von F. W. Werner (Inhaber Johs. Everth) in Döbeln in Sachsen „ihr fünfzigjähriges Geschäfts-Jubiläum. Am frühen Morgen überraschten die Angestellten der Firma ihren Chef durch eine sinnreich in Aquarell-Malerei ausgeführte Gedenktafel, während deren Frauen eine Büste des Königs Albert überreichten. Die Feier gestaltete sich zu einer äußerst weihevollen. Unter den Klängen eines Chorals und dem Absingen der Sachsenhymne, sowie feierlicher Ansprache und herzlicher Beglückwünschung geschah die Ueberreichung der erwähnten Dedikationen. Gerührt von diesem Ausdrucke der Anhänglichkeit und Aufmerksamkeit seiner Arbeiter, dankten sowohl Herr Everth wie auch dessen Frau denselben in bewegten Worten. Nach Beendigung des feierlichen Aktes begab sich eine Deputation der drei ältesten Arbeiter des Geschäfts zu dem noch lebenden Gründer und Jubilar Herrn F. W. Werner, um ihm im Namen des gesammten Personals die herzlichsten Glückwünsche zu überbringen. Möge die Firma auch im nunmehr begonnenen sechsten Dezennium blühen und gedeihen“.
1895, zur Ausstellung von Erzeugnissen für Kinderpflege, Ernährung und Erziehung im Gewerbehaus in Dresden stellte F. W. Werner „mehrere Instrumente aus, die alle durch einen guten Ton erfreuten und einen leichten Anschlag besaßen. Ein hohes Pianino, welches in Nußbaum matt und blank gehalten ist, war mit gepreßten Ornament-Füllungen und einem geschnitzten großen Aufsatze verziert“.
F. W. Werner hat bis zu seinem Lebensende am 11. April 1900 seine geistige Frische erhalten und dem Instrumentenbau „ein großes und reges Interesse bewahrt“.
Am 1. Januar 1906 beging Johannes Evert sein 25-jähriges Jubiläum als Inhaber der Firma.
Einige Arbeiter waren dem Betriebe besonders treu, so der Pianofortebauer Heinrich Wilhelm, der 1907 sein 50-jähriges Arbeitsjubiläum feierte.
Am 3. März 1911 verstarb Johannes Evert, seine Witwe Laura E. beabsichtigte das Geschäft zu verkaufen. Für diese Absicht gibt es keine Nachweise, im Gegenteil:
1914 ist in einer Anzeige zu lesen:
Es ist allerdings anzunehmen, daß die Produktion, zumindest nach dem Ersten Weltkrieg, eingestellt wurde. Insgesamt wurden bis zu diesem Zeitpunkt etwa 5.000 Instrumente hergestellt, wobei die ersten Instrumente als Tafelklaviere, die weiteren ausschließlich als Oberdämpfer-Pianos gebaut wurden. Werner- Flügel wurden nur in kleiner Zahl gefertig.
In den Döbelner Adreßbüchern ist 1925 die „Pianofabrik“ noch nachweisbar, ab 1930 aber wurde „Werner“ als „Musikwerke und Pianohandlung“ geführt.
Die Witwe Laura Elisabeth Evert und der Geschäftsreisende Herr Kurt Kaufmann waren die Inhaber des Geschäftes, welches 1940 auf der Schillerstraße 12 zu finden war.
Nachweise nach dem Kriege beziehen sich nur auf den Handel.
Auf den Befehl 357, vom 31.3.1948, der SMAD (Sowjetischen Militär-Administration) hin, Meldung über Betriebe betreffend, gab es 3 Beschäftigte in der Musikhandlung.
In einer Gewerbeausschußsitzung vom 20. Sept. 1954 lag ein Antrag von Frau Bertha Everth, Döbeln, Schillerstr. 12, auf Übernahme des bisher unter der Fa. F. W. Werner, Inhaber Arno Everth geführten Betriebes, An- und Verkauf von gebrauchten Pianos, Harmoniums, Flügeln und Musikinstrumenten, vor.
Letzter Nachweis vom 29.11.1954: Verleih von gebrauchten Flügeln und Pianos.
Quellen:
Zeitschrift für Instrumentenbau (1880 – 1943)
(1) Lieve Verbeeck
Vielen Dank für die Bereitstellung der Bilder: John van Medevoort, NL und Stephi & René