Wetzel, Paul
Klavierbauer in Hamburg, 1903 – 1911
Wetzel & Sohn
Pianofabrik in Hamburg, 1911 – 1950
In einem Beitrag zum 50. Geburtstag von Paul Friedrich Wilhelm im Jahre 1929 war zu lesen:
„Wer in der Pianobranche kennt ihn nicht, den ersten, aber liebenswürdigen Hamburger“?
Und heute? Nachfragen nach Wetzel, auch wegen Bilder von Wetzel-Klavieren – fast ergebnislos, Wetzel – unbekannt. Umso mehr soll der Artikel an Wetzel´s in Hamburg erinnern.
„Ursprung der Firma ist eine Handlung, die der Vater Ferdinand Wetzel 1879 gründet, sie wird auch weiterhin neben der Klavierbau-Anstalt betrieben, ihr Inhaber ist Vorsitzender des Hamburg-Altonaer Klavierbauer-Vereins. Der Sohn Paul gründet seine Firma 1903 zum Bau der »Patent-Reform-Pianofortes« … Nach dem Tod des Vaters Ferdinand Wetzel, der am 25. Dez. 1910 im Alter von 63 Jahren stirbt, wird ab Jan. 1911 Wetzel & Sohn firmiert“. (Henkel)
Ferdinand Wetzel, Vorsitzender des Vereins der Klaviermacher und Stimmer von Hamburg, Altona und Umgegend warb 1902 um neue Mitglieder:
„Seit den 10 Jahren, so lange unser Verein besteht, haben wir immer die Augen offen gehabt und sind stets bemüht gewesen, wenn uns unlautere, uns Mitgliedern und unser Fach im Allgemeinen schädigende Fälle zu Ohren kamen, diese zu bekämpfen und uns dadurch gegenseitig zu schützen. Wir sind Ihnen sehr dankbar, dafs Sie sich sofort solcher Fälle annehmen und, wenn angängig, sie auch in Ihrer Zeitung veröffentlichen. Wir wachen für diejenigen Fabrikanten und Händler mit, welche es nicht für nöthig erachten, sich uns anzuschließen“.
Nachdem Sohn Paul 1903 die Firma übernahm veröffentlichte er sein Patent:
„Die Firma Paul Wetzel hat 1908 einen illustrierten Katalog in blauem Umschlag mit Goldaufdruck über ihre Patent-Reform-Pianofortes herausgegeben. Wir finden darin in Autotypie und Holzschnitt die Abbildungen von 10 Pianino-Modellen und einem Stutzflügel, die nach dem patentierten Resonanzboden-System Wetzels gebaut sind, das analog der Violinkonstruktion auf dem Prinzip zweier schwingender Resonanzplatten beruht und einen größeren und singenderen Ton erzeugen soll“.
Nach dem Tode Ferdinand Wetzel 1910 „wird die Firma von der Witwe des Verblichenen und dem Sohne, Herrn Paul F. W. Wetzel jr. unter der gemeinsamen Firma Wetzel & Sohn weitergeführt“, ein Jahr später wurde Paul Wetzel alleiniger Inhaber.
Angeprangert durch die Hamburger Klavierhändler wurde der Schwindel einer Hamburger Firma, „die in alten Pianos aus bekannten Fabriken die Fabrikationsnummern um Tausende von Nummern erhöht hatte“ und verweist „daß die in gebrauchten Instrumenten angebrachten Fabriknummern als eine wichtige Altersurkunde betrachten, keine Änderung erfahren darf“.
Herr Paul Wetzel wurde 1913 zum beeidigten Sachverständigen der Hamburger Gewerbekammer ernannt.
Das 20-jährige Geschäftsjubiläum von Paul Wetzel wurde 1923 gefeiert. „Nachdem er einen Rückblick über das Entstehen und den Werdegang seines Geschäfts gegeben hatte, wechselten Gesangs- und musikalische Vorträge miteinander ab. In beredten Worten wurde seitens des Personals das gute und treue Zusammenarbeiten aller hervorgehoben und dem verehrten Chef ein weiteres glückliches Gedeihen seines Unternehmens gewünscht. Wenn überall im deutschen Volke ein so gutes Einvernehmen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bestehen würde, dann wäre unserem Vaterlande geholfen“.
Paul Wetzel begleitete das Amt des ersten Vorsitzenden des Verein Hamburger Pianofortefabrikanten und Händler, organisierte und plante deren Sitzungen.
„Am 30. November 1928 feierte Herr Paul Friedrich Wilhelm Wetzel … sein 25-jähriges Geschäftsjubiläum. Der Jubilar .. ist am 12. Juli 1879 geboren, steht also im 50. Lebensjahre. Er trat vor einem Vierteljahrhundert als Leiter und Inhaber in seine Firma ein und hat eine langjährige Praxis als Fabrikant und Händler im In- und Auslande hinter sich. Dank seiner gediegenen Kenntnisse und geschäftlichen Umsicht konnte Herr Wetzel das Unternehmen, dem eine kleine Fabrikation von Pianos und Harmoniums angegliedert ist, von Jahr zu Jahr weiter entwickeln und zu hohem Ansehen bringen. Der Hamburger Ortsgruppe des „Verbandes Deutscher Klavierhändler“ gehört er von der ersten Stunde an und hat in ihr 20 Jahre lang als Vorstandsmitglied wertvolle Standesarbeit geleistet. … Möge dem verdienten Jubilar, der sein Jubiläum im Kreise seiner zahlreichen Familie beging, ein noch langes ersprießliches Wirken vergönnt sein“.
Ein Jahr später, 1929, vollendete Paul Wetzel sein 50. Lebensjahr. „Wer in der Pianobranche kennt ihn nicht, den ersten, aber liebenswürdigen Hamburger, dessen äußere Erscheinung man noch keineswegs die 50 Jahre ansieht? Paul Friedrich Wilhelm Wetzel … darf der allgemeinen Anteilnahme an diesem Ereignis um so sicherer sein, als gleichzeitig die Firma Wetzel & Sohn … auf ein 50jähriges Bestehen zurückblicken kann. Mitte 1879 von Ferdinand Wetzel gegründet, hat sich das Geschäft zu einem in ganz Norddeutschland bekannten und anerkannten Unternehmen entwickelt. … Sowohl der am 25. Dezember 1910 verstorbene Gründer als auch der jetzige Inhaber hat sich durch organisatorische Tätigkeit ausgezeichnet; so rief ersterer schon vor 40 Jahren in Hamburg-Altona einen Klavierhändler-Verband ins Leben, der später in den heutigen V. D. K. aufging. …Wie im Vorjahr ergriff er vor einigen Wochen in Kassel das Wort. Damals galt es, die Hindernisse, die Piano-Industrie und Handel trennten, zu beseitigen. … Man hat den Eindruck, daß es sich bei Paul Wetzel um eine Herzenssache handelt, daß seine Vorschläge und Pläne reiflich erwogen und gut begründet sind. Man darf hoffen und wünschen, daß seine Tätigkeit … fruchtbringend sein möge zum Wohle der ganzen Branche“.
Bild zeigt den „verdienten Jubilar im Kreise seiner Familie auf seinem Landbesitz, mit acht lieblichen Kinder. Wir sprechen für das weitere Blühen und Gedeihen des Hauses Wetzel unsere besten Wünsche aus“.
„Über das Vermögen des Kaufmanns Paul Friedrich Wilhelm Wetzel … ist unter Ablehnung der Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens am 29. April 1930 Konkurs eröffnet“, und zum Zwecke der Abwendung des Konkurses ist das gerichtliche Vergleichsverfahren am 26. Juni 1930 eröffnet worden. … Das über das Vermögen des Kaufmanns Paul Friedrich Wilhelm Wetzel, eröffnete gerichtliche Vergleichsverfahren ist nach gerichtlicher Bestätigung des Vergleichs am 5. September 1930 aufgehoben worden“.
Herr Paul F. W. Wetzel feierte 1933 sein 40-jähriges Berufsjubiläum.
Die Story vom Glasflügel
Udo Jürgens musizierte 1984 auf einem ganz aus Acryl gebauten Glasflügel (208 G). Die Firma Schimmel stellt ihm den Flügel für seine Welttournee zur Verfügung.
Die Idee eines Flügels, dessen Gehäuse ganz aus Glas besteht, hatte 45 Jahre vor dem Glasflügel von Udo Jürgens auch Paul Wetzel im Jahre 1939 mit einem Flügel „dessen Gehäuse ganz aus Glas besteht. Es handelt sich um einen Versuch, das Farben-Klavier mit den Mitteln moderner Technik zu verwirklichen. Wetzel erstrebt eine neue Lösung, die durch die Verwendung des unzerbrechlichen Plexi-Glases ermöglicht wird. Man sieht zunächst ein kleines Modell, einen Konzertflügel aus Kristallglas und Silber, an dem Leuchtkörper in der Art des Neon-Lichtes während des Erklingens der Musik Farbwirkungen herstellen. Damit soll der Gedanke einer Bindung von Farbe und Ton in neuer Form weiter praktisch erprobt werden. Die Auswahl der Farben bleibt zunächst dem Spieler überlassen. Sie soll nach dem Gesichtspunkt der besten, charakteristischen Möglichkeiten erfolgen. Gedacht ist ebenso an den Hausgebrauch wie den Konzertsaal (große Räume). … Im Herbst wird ein neuer Farbe-Ton-Kongreß in Hamburg stattfinden, auf dem die Erfindung Wetzels erstmalig vorgeführt werden soll. … So interessant der neue Versuch auf diesem Gebiete zweifellos instrumentenbautechnisch, ästhetisch und psycho-physisch sein dürfte, so sehr dürfte er rein praktisch dadurch seine Grenzen finden, daß die menschlichen Farbempfindungen beim Anhören bestimmter Töne oder Ton Verbindungen primär auseinandergehen. Es wird also immer nur verhältnismäßig wenige Individuen geben, die bei den gleichen Ton-Farb-Verbindungen gleiche Vorstellungen oder Anregungen erhalten. … In langjähriger Versuchsarbeit, die durch die kriegsbedingten Materialbeschaffungsschwierigkeiten noch besonders gehemmt wurde, hat Wetzel 1943 nunmehr ein erstes solches Instrument konstruiert, das er „Kristall- Farbton-Flügelett“ getauft hat. Eine Gaststätte in Hamburg benutzt dieses Instrument bereits bei Vorträgen ihrer Kapelle. Das Instrument ähnelt äußerlich einem modernen Kleinklavier, doch ist sein Gehäuse nicht aus Holz, sondern völlig aus dem kristallklaren Plexiglas hergestellt, was nach des Erbauers Angaben überdies eine fünfundzwanzigprozentige Tonverstärkung gegenüber einem gleichartigen Instrument in einem Holzgehäuse bewirken soll. Die Hauptsache aber ist, daß es von innen her erleuchtet werden kann, und zwar durch starkfarbige Neon-Leuchtröhren, die so angeordnet sind, daß sie eine verschiedenfarbige Erleuchtung des Gehäuses in drei horizontalen „Stockwerken“ ermöglichen und vom Spieler beliebig aus- und eingeschaltet werden können. Zwar sagt der Konstrukteur, daß er die Zahl der Farben bzw. Farbkombinationen auf 15 und mehr zu erhöhen gedenke. Dennoch konnten wir aus der Vorführung des Instruments noch nicht den Eindruck gewinnen, daß es einmal — wie der Prospekt darüber sagt — das unentbehrliche Instrument für den Konzertsaal, für Theater, Variete, Kabarett werden wird. Es bleibt vielleicht ein hübscher Effekt, der in dem stimmungsvoll eingerichteten Raum einer Gaststätte oder dergleichen überraschend wirken kann. … Für eine optische Ausdeutung selbst primitiver musikalischer Stimmungen erscheinen uns die farblichen „Ausdrucksmittel“ dieses Instruments aber zu grobschlächtig“.
Die Hallerstraße, mit dem Pianohaus Wetzel & Sohn, Hallerstr. 1, wurde ab 1. Nov. 1938 umbenannt in Ostmarktstraße. Nach dem Willen der nationalsozialistischen Machthaber sollte jede an Juden erinnernde Spur aus dem Stadtbild Hamburgs verschwinden.
Im „Hand- und Adressbuch der deutschen Musikinstrumenten-Wirtschaft“ Ausgabe 1940 wurde das Pianohaus unter dem Namen „Apiha Wetzel GmbH, Ostmarktstr. 1“ verzeichnet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg befand sich das Musikhaus Wetzel in der Eppendorfer Landstraße 104, Inhaber war Immanuel Wetzel, der Sohn von Paul Wetzel.
1947 fand eine Feier anläßlich des 100. Geburtstages des Gründers der Firma Wetzel & Sohn, statt, dabei stellte das Musikhaus alte Instrumente und ein neues Glasflügel-Modell von Paul Wetzel aus.
„Bis 1948 hat die Firma 16.400 Instrumente gebaut“. (Henkel)
Seinen 70. Geburtstag feierte 1949 der Seniorchef des Hauses Wetzel & Sohn, in geistiger und körperlicher Frische im Kreise seiner zahlreichen Familie. „Die Firma befindet sich in Händen der dritten Generation und kämpft tapfer im Sinne des Gründers auch mit den jetzigen schweren Zeiten, besonders erschwert durch die enormen Kriegsverluste und die mehrmalige Evakuierung durch die Militärbehörden. Herr Immanuel Wetzel hat kürzlich sein Prädikat als Klavierbaumeister erhalten. Vier Erfindungen, im Pianofortebau, die als exportfähig gelten, warten auf ihre Auswertung, um der deutschen Qualitätsarbeit im In- und Auslande wieder die Wege zu ebnen und ihr die alte Geltung zu verschaffen. Diesbezügliche Abschlüsse sind bereits angebahnt. Die Firma hofft nach Ueberwindung der durch die erneute Evakuierung hervorgerufenen Schwierigkeiten wieder, wie in früheren Jahren, mit an führender Stelle zu stehen“. (IBZ 3.11.1949)
1951 starb plötzlich im Alter von 72 Jahren Paul Wetzel, „ein verdienter Pionier der Klavierbranche“.
Anhang – Harmoniumbau
Nach 1918 werden auch Harmoniums gebaut (nach Henkel). Ab dieser Zeit setzte sich der Harmoniumbau in Firma Paul Wetzel & Sohn fort über die Zeit der Klavierfabrikation, zumindest bis in die 60-er Jahre.
Bildquelle:
(1) Schatzkammer Geesthacht, Tempelhofer Weg, Herzogtum Lauenburg
Herr Brandenburg