Wolkenhauer, Georg
Pianofabrik in Stettin, 1871 – 1941
Die Hansestadt Stettin (Szczecin) liegt 150 km von Berlin, und ca. 520 km von Warschau entfernt, an der Oder. Um die Jahrhundertwende 1899/1900 hatte die Stadt über 200.000 Einwohner, heute zählt sie rund 450.000. Bereits 1121 wurde Stettin erstmalig erwähnt, gehörte zu Pommern, kam unter schwedische, später unter preußische Herrschaft und gehört seit 1945 zu Polen. Die Industrie wurde im 18. Jahrhundert beherrscht von Textil- und Tabakmanufakturen. Seit 1843 bestand schon eine Eisenbahnverbindung mit Berlin, die für die Industrie von Bedeutung war. Im 19. Jahrhundert wurden Werften, Zement-, Schamotte- und Chemiefabriken gegründet, neben Fabriken des Maschinenbaues und der Papierherstellung.
Im Jahre 1835 wurde Richard Wolkenhauer in Hannover geboren. Er stammt aus einer Musiker- und Lehrerfamilie. Er „widmete sich dem kaufmännischen Berufe. Zu Anfang der 50er Jahre kam er nach Stettin und übernahm hier im Jahre 1857 das von seinem Bruder Georg Wolkenhauer, einem in Stettin s. Zt. sehr bekannten Musiker, das bereits 1853 von diesem gegründete Geschäft für alleinige Rechnung“, einer Pianohandlung. 1870 erhielt Richard Wolkenhauer den Titel eines „kgl. preußischen Hoflieferant“. Kurz Zeit später: „Hoflieferant von Baden, Weimar , Mecklenburg-Schwerin und des Prinzen Friedrich Carl von Preußen“. Die in Stettin bestehende Pianofabrik von „Ferdinand Huet“ kaufte R. Wolkenhauer 1871 und begann mit eigener Produktion 1871 gilt als Gründungsjahr der Pianofabrik, während bei späteren Jubiläen an das Gründungsjahr der Pianohandlung, 1853, gedacht wurde. 1873 vergrößerte er die Pianofabrik wesentlich. Interessant ist, dass R. Wolkenhauer seine Instrumente teils auch von anderen Firmen hat fertigen lassen, so in Berlin, Leipzig und Dresden.
„Als die Anforderungen seines Geschäfts, das inzwischen zu Ruf und Ansehen gekommen war, ihn zu weiterer Ausdehnung zwangen, die Arbeiterverhältnisse der Branche ihm aber eine neue Vergrößerung der Fabrik in Stettin nicht mehr ermöglichten, beteiligte er sich an auswärtigen Fabrikunternehmungen. So wurde er Mitbesitzer der Pianofortefabrik von Joh. Kuhse in Dresden, nachdem er schon 1873 die bekannte Hofpianofortefabrik von W. Biese in Berlin käuflich erworben hatte. Er brachte die letzter auch zu Blüte und Gedeihen, bis er sie schließlich wieder an den alten Herrn Biese, dem die Muße des Rentiers nicht bekommen mochte, zurückverkaufte“. Im Klavierbau forschte R. Wolkenhauer. Mehrere Erfindungen, „welche die Verbesserung des Resonanzboden erstrebten“ wurden patentiert.
Am Abend des 23. Dezember 1905 starb er nach langem Leiden. Von ihm wurde geschrieben: Er war „ein tüchtiger Geschäftsmann von kaufmännischen Weitblick, und seine Tätigkeit brachte ihm reichen materiellen Erfolg“. Die Hofpianofortefabrik ging in den Besitz der Witwe über. „Für die Geschäftsleitung hat Frau Wolkenhauer dem langjährigen bewährten Mitarbeiter ihres verstorbenen Mannes, Herrn Hans Beltz, Generalvollmacht erteilt“.
Für die Pianoherstellung zeichnete sich Richard Wolkenhauer verantwortlich, während sein Bruder Georg mit seinem Namen in der Geschichte des Pianobaues einging.
1897 wurden in Döbeln in Sachsen, im gleichen Jahr in Freiberg in Sachsen, vier Jahre später in Hannover, Zweigniederlassungen errichtet. Die Döbelner Niederlassung wurde schon zu Beginn des Jahres 1902 wieder geschlossen, die Niederlassung in Hannover Anfang 1907 aufgelöst, in Freiberg ging die Niederlassung in den Besitz von Musikalienhändler Karl Ewald über. Weiter nicht eingetragene, kleinere Niederlassungen bestanden noch in verschiedenen Städten.
Heiteres: Aus einem Schreiben an den Herren Hoflieferant G. Wolkenhauer ohne Angabe des Wohnortes des Schreibers aus dem Jahre 1899:
„Wärtsther Herr Wolkenhauer
Nun habe ichs endlich beschlossen. Zu Weihnachten wollte ich schon. Aber nun wil ich zu ostern. Wen Sie mich solches schiken, wie unser Kanter, dann kann ich mir damit Einverstanden erkleren daß passt zu meine Verhältnisse und mit die breite passt es auch. unser Kanter hat gesagt, daß es von dieselbige Sorte verschiedene Sorten gibt. Das ist mir aber engahl, von die ich in die Annonze gesehen habe, ist mir eins von Listen oder freischokken am liebsten, den kenne ich als ich noch in Berlin kondizonirte, der komt mich als ein achtungsvoller Mann vor, der keinen nich betrügt und halten wird es ja auch. Lieber Herr Wolkenhauer, Sie können mir nun eines aussuchen nach meinem Geschmack. und den Preis bestimmen, darauf kommt es nicht an und können es mir aufs Dampf Schiff schikken oder Per transport, daß isst mir engahl, daß es am Sonnabend ankomt, denn meine Frau darf es nicht wissen, die soll sich erst freuen, wenn es schon dastet. Meine Frau und ich und meine Kinder freuen uns schon ser darauf.
es grüsst Ihnen mit Hochachtung ergebens
Friedrich Nabel
Herschafftlicher Riterguts Schmiede Meister.
nota Bena.
von die Bahn lasse ich her transport abholen, der Stimmer kann mitkommen, fürn Kanter seins auch“.
Zum Versand kam das Klavier leider nicht, es fehlte ja der Absender.
Am 25. Mai 1913 wurde das 60jährige Jubiläum gefeiert.
Der Geschäftsführer und Leiter der Hof-Pianofortefabrik Herr Hans Beltz konnte 1917 auf eine 40jährige Tätigkeit in der Firma zurückblicken.
Die Firma ging 1921 in den „Besitz des Kaufmanns Fritz Bartholdt“ über, „der das Geschäft unter der alten Firma weiterführt“.
1928 übernahm die Firma „G. Wolkenhauer“ den Vertrieb der Electrola-Apparate und Platten. Zum 75jährigen Bestehen, wie auch zu vorhergehenden Jubiläen, gab es leider keinerlei ehrende Würdigungen in der Fachzeitschrift.
1936 erfolgte die Vereinigung mit der Piano-Handlung Bartholdt zur Firma Bartholdt-Wolkenhauer. Damit kamen „die beiden ältesten Stettiner Klavier-Fachgeschäfte zusammen. Die Fabrikräume der Pianofabrik sind nach wie vor in der Barnimstraße 30 verblieben“.
Die Firma produzierte und bestand bis 1941.